Interview: Muhi Majzoub, Opentext, zu Cloud, IBM und Weltkrisen
Letzte Woche hat Mark Barrenechea, CEO und CTO von Opentext, auf der Kunden- und Partnerkonferenz »OpenText World EMEA« das Projekt Titanium vorgestellt. Hierbei sagte er, dass es sowohl für die Public als auch für die Private Cloud ein vielfältiges Portfolio integrierbarer Informationsmanagement-Suites bietet. Was ist der Unterschied zu den bestehenden cloudfähigen Lösungssuiten in der Cloud?
Majzoub: Durch Titanium soll das Public-Cloud- gleichwertig mit dem Private-Cloud-Angebot werden. Für die Private Cloud bietet OpenText bereits Produkte wie »Content Suite« und »Documentum«. Teils sind dies schon 20 bis 25 Jahre lang entwickelte und sehr ausgereifte Plattformen mit vielen Möglichkeiten. Das Ziel von Titanium ist, deren Möglichkeiten und Funktionen auch in die Public Cloud zu transferieren. Titanium umfasst aber auch Produkte, die bereits für die Public Cloud mit einer geteilten Umgebung entwickelt wurden wie »Core Content«. Ein weiteres großes Projektziel von Titanium ist, neue APIs als headless Services zu entwickeln, damit Kunden eigene Applikationen in Public-Cloud-Opentext-Umgebungen einbinden können.
Wie groß ist das Team hinter Titanium und wie viel investiert Opentext in dieses Projekt?
Majzoub: Anfang des Jahres hat Opentext bereits seine Investoren informiert, dass eine hohe Summe in das Cloud-Projekt fließen soll, dessen Namen Titanium wir nun präsentiert haben. Beteiligt sind mehrere hundert Mitarbeitende, wobei die Kernmannschaft in Deutschland angesiedelt ist, die vor allem von kanadischen und indischen Teams stark unterstützt wird.
Gibt es weitere Projektziele von Titanium?
Majzoub: Durch Titanium bauen wir auch die Fähigkeit aus, im Business-Cloud-Bereich auf jedem Level besser zu sein als Wettbewerber. In der Content Cloud zielen wir beispielsweise auf Box und IBM. Wir wollen 100 Prozent schneller sein als »Filenet« und Sicherheits- und Integrationsfeatures bieten, die Box seinen Kunden nicht zur Verfügung stellen kann.
Apropos IBM. Ende letzten Jahres stellte Opentext das Programm »Bye Bye Blue« vor, bei dem Filenet-Kunden Unterstützung zugesagt wurde, um in 90 Tagen oder weniger auf Opentext-Produkte zu wechseln. Wie läuft »Bye Bye Blue«?
Majzoub: Das Programm läuft gut und in jedem Quartal gewinnen wir viele Filenet-Migrationsprojekte. Grund hierfür ist aber nicht nur das Programm, sondern fehlende Innovationen von IBM für Filenet. Es gibt keine nennenswerten Weiterentwicklungen von Filenet beispielsweise mobile Anwendungen und Integrationen in Produkte von SAP, Salesforce oder von anderen Software-Providern. Dagegen integrieren sich Opentext-Lösungen wie »Documentum« und »Content Suite« in alle relevante Business-Applikationen. Wir entwickeln diese Lösungen ständig weiter beispielsweise mit elektronischen Signatur-Lösungen, mobilen Apps und modernen Benutzeroberflächen. Unser »Global Professional Service Team« zählt mehr als 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und hat schon hunderte Migrationen zu Content Suite oder Documentum durchgeführt.
Im Hinblick auf das neue Portfolio-Update »CE 22.2« erklärt Opentext, dass Unternehmen mithilfe der zahlreichen neuen Funktionen flexibler auf unvorhersehbare Krisenzeiten reagieren können und wesentlich resilienter aufgestellt sind. Wie ist das gemeint?
Majzoub: Aktuell erleben wir einige disruptive Entwicklungen. Die COVID-19-Pandemie ist nicht vorbei. Sie zieht unterschiedliche Regularien in verschiedenen Regionen nach sich. Uns beschäftigen diverse Lieferkettenprobleme wie die Knappheit bei Babynahrung in den USA, Chip-Knappheit im Automobilbereich und – was ich bei einem gesundheitlichen Problem meiner Ehefrau persönlich erlebte – fehlende Kontrastmittel für eine MRT-Untersuchung. Zudem leiden wir unter dem Krieg in der Ukraine, einer Inflation, die in den USA ähnlich wie in Deutschland derzeit etwa 8 Prozent beträgt. Diese Faktoren behindern ein Wachstum, jedoch kann Opentext Innovationen liefern, um besser mit solchen Problemen umzugehen und Produktivitäts- und Effizienzverbesserungen zu erzielen.
Wie beeinflusst der russische Angriffskrieg in der Ukraine das Opentext-Geschäft?
Majzoub: Wir haben keine Beschäftigten in der Ukraine. Einige Partner in Russland führen noch bestimmte Projekte mit unseren Produkten durch. Doch unsere Vertretung in Russland gaben wir bereits vor zwei Jahren auf – also vor dem Krieg. Daher hat er keine direkten Auswirkungen auf unser Tagesgeschäft.