Praktische Tipps zur Digitalisierung im HR- und Personalbereich

Personalakten digital am Bildschirm bearbeiten (Bild: Kyocera)

geschäftsmann schaut auf daten am computer

Personalakten digital am Bildschirm bearbeiten (Bild: Kyocera)

Der Umzug in ein neues Firmengebäude gab in der Westfälischer Anzeiger Verlagsgesellschaft den Ausschlag, die gesamte Anzahl an 500.000 Seiten Personalakten zu digitalisieren und keine Akten mehr in  Papierform vorzuhalten. Laut Aussagen des Controllers hat alleine die Mietersparnis für den eingesparten Platz der Papierakten das Projekt innerhalb eines Jahres refinanziert. Hinzu kommt, dass vier Arbeitskräfte, die in der Vergangenheit mit der Ablage von Unterlagen beschäftigt waren, nun strategische Aufgaben wahrnehmen können. Rund 1.000 Dokumente wie Krankmeldungen gehen jeden Tag ein, die nun nicht mehr direkt in Papierform abgelegt, sondern eingescannt und digital erfasst werden.

Um solch ein Projekt zu stemmen, ist im Vorfeld viel Vorbereitungsarbeit nötig. »Doch auch wenn man meint, an alles gedacht zu haben, können immer unvorhergesehene Dinge passieren«, so Ralf Plohmann, Business Consultant von Sage. »In diesem Fall wurden Kartons des Scandienstleisters geschickt, in die die Hängeregister nicht passten, da der Dienstleister davon ausging, Ordner zu erhalten. Kurzerhand wurden dann die seitlichen Metallösen der Hängeregister abgeflext, damit sich die Akten termingerecht verschicken ließen.«

Betriebsrat und andere Interessensvertreter einbeziehen

Wie dieses Beispiel zeigt ist nicht alles, aber vieles absehbar. Um vorhersehbare Probleme zu vermeiden, empfiehlt es sich generell, frühzeitig die verschiedenen Interessensvertreter in das Projekt einzubeziehen, was Ines Zacher, Abteilungsleiterin Personalservice und Vergütung, bei GEMA, bestätigt. Auch die Verwertungsgesellschaft hatte sich zum Ziel gesetzt, sämtliche Personaldokumente – von Bewerbungsunterlagen über Arbeitsverträge und Mitarbeitergesprächsprotokolle bis hin zum Schriftverkehr – standortübergreifend zu digitalisieren und eine elektronische Aktenstruktur einzuführen. Zacher bezeichnet die frühzeitige Einbindung der diversen Interessensgruppen innerhalb und außerhalb des Unternehmens als entscheidenden Erfolgsfaktor für dieses Projekt: »Bei der Auswahl des Scandienstleisters war unser Datenschutzbeauftragter maßgeblich involviert. Während wir gemeinsam mit unserem IT-Einkaufsteam nach einem geeigneten Softwareanbieter für die Aktenlösung suchten, haben wir den Betriebsrat stets auf dem Laufenden gehalten. Nicht zuletzt haben wir auf der Betriebsversammlung die Mitarbeiter informiert, dass wir die Einführung einer digitalen Personalakte planen.«

Arthur Heimann berät Projekte zur Digitalisierung von Personalakten beim Scan-Dienstleister Alpha Com (Bild: Corinna Scholz für Alpha Com)

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Arthur Heimann berät Projekte zur Digitalisierung von Personalakten beim Scan-Dienstleister Alpha Com (Bild: Corinna Scholz für Alpha Com)

Ob überhaupt ein Scandienstleister eingebunden wird, oder die Akten in Eigenregie digitalisiert werden, ist ebenfalls eine Grundsatzentscheidung, die Unternehmen im Vorfeld treffen müssen. Häufig sei der erste Impuls, das Scannen mit den eigenen HR-Mitarbeitern zu übernehmen, berichtet Arthur Heimann, Beratung und Vertrieb beim Scandienstleister ALPHA COM in der Niederlassung München. Zur Not werden Hilfskräfte temporär engagiert, die sich ausschließlich in den Räumen der Personalabteilung bewegen. So bleiben die sensiblen Dokumente im Haus und die Anforderungen an den Datenschutz werden erfüllt.

Vorteile eines Scandienstleisters

»Allerdings ist die Digitalisierung von Personalakten ein einmaliges Vorhaben, das sich gut an einen Spezialisten auslagern lässt. Und dessen Effizienz ist eben deutlich höher, weil er optimierte Abläufe praktiziert – mitsamt Projektmanagement, QS-Methoden und High-End-Geräten«, gibt Heimann ebenso zu bedenken wie die Tatsache, dass das Scannen nur Mittel zum Zweck sei, um den Medienbruch zu überwinden. Wichtiger ist die Indizierung beziehungsweise Klassifizierung der Images, um den Import ins HR-System zu erleichtern und eine komfortable Recherche zu ermöglichen.

Will man sich von der Einhaltung von Datenschutzvorschriften und anderen Bedingungen ein Bild machen, ist es ratsam, Besichtigungen vor Ort vorzunehmen. Am besten nimmt man hierzu Betriebsrat und Datenschutzbeauftragten ebenfalls mit. Außerdem empfiehlt es sich, repräsentative Musterakten auszuwählen und zur Test-Verarbeitung anzubieten. Parallel dazu kann man Musterakten selbst digitalisieren und Zeitaufwand sowie Qualität vergleichen. Ab welchem Aktenumfang sich das Auslagern an einen Dienstleister lohnt, hängt beispielsweise von der Größe der einzelnen Akten,  der verfügbaren Zeit und der inhaltlichen Klassifizierung ab.

Ausdünnen von Akten als Vorbereitung

Bei der Vorbereitung auf die Digitalisierung stellt sich auch die Frage, inwieweit Akten auszusortieren sind. Dr. Nina Springer, Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei Eversheds Sutherland und Fachanwältin für Arbeitsrecht meint auf einer Veranstaltung des ECM-Unternehmens forcont im April hierzu: »Unternehmen sollten anlässlich der Einführung der digitalen Personalakte eine Bestandsaufnahme machen und – den Grundsatz der Datensparsamkeit beachtend – ihre Personalakten kritisch daraufhin überprüfen, welche Dokumente vernichtet werden müssen oder gar nicht erst in eine Personalakte hätten Eingang finden dürfen.« Letzteres betreffe beispielsweise Gehalts- oder Prämienlisten, die die Namen von mehreren Mitarbeitern beinhalten. Wenn Unternehmen ihre Personalakten digitalisieren wollen, sollten sie diese also zunächst bereinigen. Es gilt zu definieren, welche Dokumente aktuell und zukünftig in der Personalakte vorhanden sein müssen und dürfen, und sicherzustellen, dass das Handling von Personaldokumenten persönlichkeitsrechts- und datenschutzkonform erfolgt. Auch während dieser Vorbereitung selbst sind der Schutz und die Sicherheit der Daten jederzeit zu gewährleisten.

Etwas pragmatischer sieht dies Heimann. Seiner Meinung nach ist das Ausdünnen der Personalakten vor dem Scannen nur dann zu empfehlen, wenn Unternehmen über die nötigen Kapazitäten verfügen und vorher klar definiert haben, welche Dokumentarten entfallen sollen. »Nach unseren Erfahrungen sind beide Voraussetzungen selten gegeben.« Sein Tipp ist, sich auf Dokumentarten zu spezialisieren, die leicht und effektiv auszusortieren sind wie AU-Bescheinigungen bei Krankmeldungen.

Originale aufbewahren oder vernichten?

Generell stellt sich auch die Frage, welche Dokumente weiterhin im Original aufzubewahren sind. Pauschal beantworten lässt sich das laut Heimann nicht so leicht. Vielmehr muss jede Organisation die potenziellen Risiken abwägen und dabei rechtliche und praktische Aspekte berücksichtigen: »Wer ganz sichergehen will, archiviert wichtige Originale wie Arbeitsverträge und Verträge zugunsten Dritter nach der Digitalisierung weiterhin physikalisch.« Doch in praktischer Hinsicht sollte der Abschied vom Papier im Vordergrund stehen.

Ist entschieden, welche Akten digitalisiert werden sollen, muss man sich über die digitale Aktenstruktur im Klaren sein. Ein entsprechender Aktenplan regelt dann, wie Papierakten in der digitalen Struktur abgelegt werden. Im Gegensatz zur Papierakte gibt es für die virtuelle Archivierung keine limitierte Anzahl an Registern. Projektverantwortliche können frei entscheiden, wie differenziert die elektronische Ablagestruktur ausfällt. Allerdings sollte beachtet werden, dass alle HR-Kollegen den Zuwachs an Dokumenten schnell und sicher einpflegen können.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.