Interview zum Ende der Cebit mit Karl Heinz Mosbach, ELO
Herr Mosbach, Sie galten in der ECM-Branche als scharfer Kritiker der »neuen CeBIT« nach ihrer Neuausrichtung im Jahr 2018. Fühlen Sie sich in Ihrer Einschätzung bestätigt oder funktionieren horizontale IT-Messen einfach nicht mehr?
Mosbach: Ich könnte es mir einfach machen und erwidern, dass ich die Kritikpunkte allen Beteiligten und dem Cebit-Vorstand gebetsmühlenartig vorgetragen habe. Vergebens – das Ergebnis sah man im Juni. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein großer Fürsprecher von Messen bin. Denn diese bieten wie keine andere Plattform die Möglichkeit, in hochkonzentrierter Weise mit Interessenten, Kunden und Partnern in einen persönlichen Dialog zu treten und in nur wenigen Tagen tausende von Beratungsgesprächen zu führen. Zumindest dann, wenn es um komplexere Themen wie die Digitalisierung von Geschäftsprozessen geht. Genau das habe ich über genau zwei Jahrzehnte gemeinsam mit verschiedenen Kollegen der ECM-Branche erfolgreich ge- und erlebt.
Dennoch ging es mit der Cebit von Jahr zu Jahr bergab. Hatte die führende IT-Branchen-Messe nicht doch ausgedient?
Mosbach: Sehen Sie, genau das sehe ich als Aussteller, der über 20 Jahre von einem Gutteil der auf der Cebit getätigten Geschäftsabschlüsse leben musste, anders. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, in der die Cebit weit über eine halbe Million Besucher anzog und wir mehrere tausend Besucher am Stand willkommen hießen. Jeder Außenstehende, der wenig vom Messegeschäft und den Anliegen eines Ausstellers versteht, würde sagen: »Ja das waren noch Zeiten«. Doch für Aussteller im B2B-Geschäft, deren Fokus auf professionellen Lösungen und nicht auf Consumer-Produkten wie Druckern, Grafikkarten oder Computermäusen lag, war die Qualität der geführten Gespräche eher bescheiden. Beweggrund für eine Cebit-Teilnahme war damals eher der Imagegewinn, wirtschaftliche Überlegungen waren zweitrangig. Durch das Internet und die damit einhergehenden Sparzwänge brach dieses Massenpublikum jedoch nach und nach weg. Und die darauffolgende Ausrichtung der Messe auf das Fachpublikum war für uns ein Segen. Die Messeergebnisse sprachen für sich.
Aber hat sich das dann bestehende Format nicht von Jahr zu Jahr eher langweilig wiederholt, ohne neue Impulse zu setzen, so dass die Cebit als Business-Messe kontinuierlich an Attraktivität einbüßte?
Mosbach: Teils ja, teils nein. Etwas schlecht zu reden ist immer einfacher, als Realität und Fakten zu analysieren. Es wurde das Bild vermittelt, mit der Cebit ginge es von Jahr zu Jahr dramatisch bergab, was schlichtweg irreführend und falsch war. Denn seit 2014 lag die Zahl der Besucher mit rund 200.000 nahezu konstant. 2017 war durch den Hype der Digitalisierung sogar eine Steigerung zu spüren. Es ist eine Unart von uns Deutschen, in etwas beschwerlicheren Zeiten gleich eine Weltuntergangsstimmung heraufzubeschwören. Und mal ehrlich, wo gibt es auf globaler Ebene eine reine IT-Fachmesse, die über 200.000 Besucher vorweisen kann? Nirgends. In einem Punkt haben Sie aber Recht. Nämlich dahingehend, dass seitens aller Beteiligten und insbesondere der Messeleitung keine wirklichen Reformen angestoßen wurden, um die Messe für Aussteller und Besucher attraktiver zu machen. Man nahm kosmetische Korrekturen vor und hielt sich ansonsten an das alte Strickmuster, möglichst viel Standfläche zu verkaufen und mit völlig überteuerten Zusatzgebühren die Aussteller maximal zur Kasse zu bitten. Eine echte Weiterentwicklung oder Erneuerung fand dagegen nicht statt.
Hat man 2018 nun nicht genau das versucht, nämlich ein völlig neues Cebit-Konzept umzusetzen?
Mosbach: Da sprechen Sie einen wunden Punkt bei mir an. Veränderungen gerne, aber bitte mit Sinn und Verstand. Es war einfach nur naiv zu glauben, man ruft mal rasch ein IT-Festival mit Musik, Riesenrad und Jahrmarktstimmung aus – und schon strömen die Besucher nach Hannover. Wie berauscht von Festival- und Partystimmung setzte man zu nahezu hundert Prozent auf die jugendliche Zielgruppe und registrierte gar nicht, wie sehr man seinen bisherigen Business-Ausstellern damit schadete. Der Termin im Juni war lediglich der sommerlichen Party-Stimmung geschuldet, berücksichtigte aber keineswegs deren Belange. Das Ergebnis zeigte sich in Form eines Bruchteils an Geschäftskunden – und damit an qualifizierten Leads verglichen mit dem Vorjahr.
Was hätte die Messe Ihrer Meinung denn anders machen müssen?
Mosbach: Zuallererst einmal mit den Ausstellern über das Für und Wider eines Neukonzepts zu diskutieren. So eine elementare Entscheidung trifft man nicht, ohne seine wichtigsten Kunden umfassend miteinbezogen zu haben. So hätten sich sicherlich grobe Fehler vermeiden lassen, wenn man auf einen gesunden Mix aus B2B- und Festivalcharakter mit einem passenderen Timing gesetzt hätte.
Ihr Fazit, was bedeutet das Aus der Cebit für die IT- und insbesondere die ECM-Branche?
Mosbach: Manch einer wird womöglich froh sein, sich den Aufwand und die Kosten der Messe zu sparen. Für die Branche und den IT-Standort Deutschland ist es jedoch eine Katastrophe. Ich glaube, die wenigsten können ermessen, welchen Imageschaden unsere Branche mit dem Wegfall dieser etablierten Plattform in der Welt erleidet. Eine Mitschuld dafür tragen auch die vielen Jasager, von denen es doch viele hätten besser wissen müssen. Die Hannover Messe täte gut daran, ein Jahr zu pausieren und mit einem auf Business orientierten Relaunch neu durchzustarten. In diesem Fall wären auch wir als ELO Digital Office wieder mit ganzem Herzen dabei.
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