Interview mit Hubert Meckel, Opentext, zu ECM-Pharma-Projekten

Worauf kommt es bei ECM-Projekten im Life-Science-Sektor besonders an?

Meckel: Bei ECM-Projekten im Life-Science-Sektor kommt es insbesondere darauf an, die jeweiligen Regularien zu kennen, zu beachten und dies auch entsprechend zu dokumentieren. Es muss jederzeit allen Beteiligten bewusst sein, dass sicherzustellen und zu beweisen ist, dass die Produkte – hierzu gehören durchaus auch unterstützende IT-Systeme – zum einen keinen potentiell negativen Einfluss auf die Medizinqualität haben dürfen und zum anderen auch tatsächlich genau tun, was sie tun sollen und müssen.

Welche regulatorischen Rahmenbedingungen sind hier zu beachten?

Meckel: Diese Frage ist nicht allgemein gültig zu beantworten. Projekte im Life-Science Bereich können sehr unterschiedlich und damit auch die regulatorischen Anforderungen sehr unterschiedlich sein. Bei horizontalen Lösungen, wie im Logistik-, Personal- oder Finanzwesen sind zunächst einmal die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten. Wenn man sich nun die Life-Science-spezifischen Projekte betrachtet, so ist in nahezu allen Projekte erst einmal die FDA-Vorschrift (FDA=Food and Drug Agency US) 21CFR Part11 zu beachten, welche den vorschriftsmäßigen Umgang mit elektronischen Dokumenten, inklusive deren Freigaben mit elektronischen Unterschriften beschreibt. Das europäische Äquivalent hierzu ist der sogenannte »Annex 11«. Zusätzlich sind noch in den jeweiligen Bereichen Regularien zu beachten, wie GAMP (Good Automated Manufacturing Practices) und der EU GMP Guide in der Herstellung oder auch besondere Regularien für das Qualitätsmanagement und Submissionmanagement.

Welche Anforderungen stellen die Kunden in diesem Bereich?

Meckel: Die Anforderungen sind sehr vielfältig je nach Unterbereichen, wie »Clinical«, »Regulatory« oder »Quality«. Gemeinsam sind immer die Beachtung der bereits genannten Regularien, sowie ein sehr strukturiertes und dokumentiertes Projektvorgehen, welches immer auf die spezifischen Kundenanforderungen abgestimmt und auf diese getestet werden sollte.

Wo liegen die Hemmnisse bei Projekten dieser Art?

Meckel: Durch die notwendige Beachtung der Regularien ist zum einen ein erhöhter Dokumentations- und Testaufwand zu beachten. Zum anderen führen diese Aufwände dann dazu, dass etwaige Einführungen von neuen Versionen oder Verbesserungen nur langsam eingeführt werden, was zu einer reduzierten Agilität führen kann. Der erste Gedanke wäre natürlich ein SaaS-Ansatz, welcher aber von vielen Life-Science-Kunden noch mit großer Skepsis betrachtet wird, da sich hier Fragen nach der Verfügbarkeit, der Datenhoheit oder auch der Validierung nach den eigenen User-Requirements stellen.

Wie haben Sie Ihr Portfolio auf diesen Kundenkreis zugeschnitten?

Meckel: Der große Vorteil von streng regulierten Prozessen ist eine relativ hohe Wiederverwendbarkeit, da sich alle Unternehmen in der Branche diesen Regularien unterwerfen müssen. Somit haben wir, nachdem wir uns schon lange als Marktführer im Bereich Enterprise Dokument Management für Life Sciences etabliert haben, bereits seit einigen Jahren eigene vorkonfigurierte Applikationen auf Basis unserer Backend-Technologie entwickelt, welche eben diesen Life-Science-spezifischen Anforderungen genügen.

Welche Lösungen setzen Sie ein und was zeichnet diese aus?

Meckel: Auf Basis der Documentum-Technologie haben wir vier Module als Teil der »OpenText Documentum Life Sciences Solution Suite« entwickelt: ein electronic-Trial-Master-File-Modul (eTMF) zur Abbildung und Verwaltung der Dokumentation von klinischen Studien, ein Research- und Development-Modul für die kontrollierte Verwaltung von regulatorischen Dokumenten und Forschungsdokumentation, ein Submission-Store-und-View-Modul (SSV) für die Archivierung und Verwaltung von eingereichten electronic-Common-Technical-Documents (eCTDs), sowie der zugehörigen Kommunikationen zwischen Behörden und Unternehmen und ein Quality- und Manufacturing-Modul für die Verwaltung von kontrollierten Dokumenten im Qualitäts- und Herstellungsbereich. Alle Module setzen auf der gleichen Basis und Grundkonfiguration auf. Die Artefakte oder Dokumenttypen, Attribute, Auswahllisten, Lebenszyklen, Workflows, sowie alle weiteren Konfigurationen sind Implementierungen der Drug-Information-Association-Referenzmodelle (DIA) für eDMS und eTMF, sowie unserer jahrzehntelangen Erfahrung im Life-Science-Bereich. Die DIA bildet als Zusammenschluss führender Pharma-Konzerne, sowie beratender Mitglieder, die Grundlage für de-facto-Standards in diesem Marktsegment. Durch die aktive Mitgliedschaft in der DIA implementieren wir diese Standards nicht nur zeitnah in unseren Produkten, sondern stellen auch unsere Erfahrung zur Verfügung, um diese innerhalb der Branche nutzbar zu machen.

Wie schätzen Sie den Sättigungsgrad für Digitalisierungsprojekte im Life-Science-Sektor ein?

Meckel: Meiner Ansicht nach unterscheidet sich der Sättigungsgrad der Digitalisierungsprojekte nach der Größe der Unternehmen. In Großunternehmen ist der Sättigungsgrad relativ hoch, da mit den auflaufenden Datenmengen eine Automatisierung und Digitalisierung definitiv notwendig ist. In kleineren und mittleren Unternehmen finden wir häufig noch papierbasierte Arbeitsweisen. Aber auch hier sind zunehmend Projekte der Digitalen Transformation durch die geforderte Digitalisierung von Behörden, zum Beispiel bei elektronischer Einreichung, am Start.

Welche Vorteile ergeben sich durch die ECM-Einführung für die Anwender?

Meckel: Neben den grundsätzlichen Vorteilen von ECM-Projekten, wie verbesserte Wiederverwendbarkeit oder Zugriffskontrolle, spielen bei ECM-Projekten im Life-Sciences-Bereich zwei Aspekte eine besondere Rolle. Als erstes ist festzustellen, dass durch die ECM-Einführung eine verbesserte Compliance erreicht wird, da durch die Prozessautomatisierung klar einzuhaltende und dokumentierte Prozesse implementiert werden. Bei Nachfragen von Behörden können Informationen schneller gefunden und ordnungsgemäße Vorgehensweisen nachgewiesen werden. Als zweites führt die Automatisierung der Prozesse und die damit verbundene Übersicht über den Stand der Entwicklungen und der Einreichungen im allgemeinen zu einem schnelleren Markteintritt der Produkte, welches zu bedeutenden Gewinnerhöhungen führt. Zusammengefasst kann man sagen, dass die ECM-Einführung zu einer erheblichen Risikominimierung bei reduzierter »time-to-market« führt.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.