Interview mit Daniel Pelke, fme, zu ECM-Pharma-Projekten
Worauf kommt es bei ECM-Projekten im Life-Science-Sektor besonders an?
Pelke: Neben den erforderlichen ECM-Kenntnissen sind in dieser Branche die Prozesskenntnis und die Kenntnis der einschlägigen regulatorischen Rahmenbedingungen besonders wichtig. Die Kunden erwarten aber nicht nur, dass wir die ECM-Technologien beherrschen, sondern auch, dass wir über den Tellerrand hinausschauen und sie im Bereich neuer Technologien beraten.
Was unterscheidet die Projekte hier von ECM-Projekten in anderen Branchen?
Pelke: Wir sprechen hier nicht von beispielsweise Belegarchivierung, die über alle Brachen ähnlich aussieht. Die Rede ist von einem durch Gesetze und Vorschriften stark regulierten Bereich und seinen Prozessen, die man verstehen muss. Die Kunden erwarten von uns, dass wir IT-Anforderungen an beispielsweise die Zulassung von neuen Produkten oder die Dokumentation von Studien und Versuchsreihen kennen. Die Kenntnis über die zu Grunde liegenden Datenmodelle für die Unterstützung der Prozesse macht hier den wesentlichen Unterschied zu anderen Brachen aus. Seit mehr als 15 Jahren beraten wir erfolgreich Life-Science-Unternehmen jeglicher Größe im Bereich ECM. Die Tatsache, dass 80 Prozent der Top-10-Pharmaunternehmen unsere Kunden sind, zeigt, dass wir diese Erwartungen erfüllen.
Welche regulatorischen Rahmenbedingungen sind hier zu beachten?
Pelke: GMP, 21 CFR Part 11, ICH CTD, DIA Reference Model, xEVMPD, IDMP, eCTD, RPS. In erster Linie beschäftigen wir uns mit der Einhaltung von Richtlinien im Bereich GxP (Good X Practice). Dabei ist die wichtigste Ausprägung GMP (Good Manufacturing Practice), also alle Vorgaben die zur Erfüllung einer von den Behörden geforderten Produktion zu beachten sind. Dabei spielt die Dokumentation der Prozesse eine wesentliche Rolle. Neben der einwandfreien Qualifizierung von Prozessen beschäftigen wir uns auch mit der Validierung von Software. Dazu gehört auch die elektronische Signatur, die unter anderem in den Vorgaben der FDA unter »FDA 21 CFR Part 11« geregelt ist.
Welche Anforderungen stellen die Kunden in diesem Bereich?
Pelke: Neben der Vollständigkeit der Lösung wird vor allem Wert auf die Konfigurierbarkeit der Lösung gelegt. Das heißt Unternehmen wollen zukünftig weniger Aufwand für das Customizing, sondern mehr Konfigurationsmöglichkeiten. Eine hohe Konfigurierbarkeit verkürzt die Projektlaufzeit, verbessert das Release-Management und vereinfacht den Rollout auf andere Standorte. Vereinzelt kommt der Wunsch nach Cloud-basierten Lösungen. Wobei hier mit den Kunden detailliert darüber gesprochen werden muss, ob sie eine Public-Cloud-basierte Lösung oder eine in ihrem Unternehmen betrieben Privat-Cloud-basierte Lösung meinen.
Wo liegen die Hemmnisse bei Projekten dieser Art?
Pelke: Die Pharmaunternehmen legen sich selbst strenge Vorgaben auf, eine Cloudlösung bei einem Pharmaunternehmen einzuführen. Auch hier kommt es auf den Bereich an, in dem die Cloudlösung eingesetzt werden soll. Die Steuerung von Vertriebsprozessen findet in der Branche immer mehr gefallen, wobei die Verwaltungen von Einreichungen noch immer in-house gemacht werden. Eine weitere große Herausforderung ist es, zwischen den Anforderungen der IT (möglichst nahe am Standard) und denen der Fachanwender (möglichst maßgeschneidert) zu vermitteln. Dazu kommt die Komplexität und Vielschichtigkeit derartiger Projekte. Es werden Business-Analysten, Software- und Lösungs-Architekten, Software-Entwickler, Migrations- und Validierungsexperten sowie Support-Ingenieure benötigt, die die Spezifika der Life-Science-Branche verstehen.
Wie haben Sie Ihr Portfolio auf diesen Kundenkreis zugeschnitten?
Pelke: Neben der Fokussierung auf die Prozesse im Bereich Arzneimittelherstellung (Manufacturing) und Regulatory Affairs und der Abbildung mit IT-Werkzeugen, haben wir uns mit einem dedizierten Team auf Dienstleistungen wie Migrationen (mit einem fme-eigenen Produkt migration-Center) und Validierung spezialisiert. Mit Architekturworkshops im Bereich Containerization helfen wir unseren Kunden, ihre Infrastruktur optimal zu nutzen; dabei spielt das Monitoren und das Zuweisen von Ressourcen eine wesentliche Rolle. Mit neuen Technologien aus dem Artificial Intelligence (AI)- und Analytics-Bereich wollen wir unseren Kunden helfen, die Inhalte in ihren ECM-Systemen zu verstehen; eine Anforderung die insbesondere im IDMP- (Identification of Medicinal Products-) Umfeld benötigt wird. Darüber hinaus haben sich einige unserer Mitarbeiter auf Technologien, die in angrenzenden Bereichen wie Quality Management, eLearning oder Labeling anzutreffen sind, fokussiert. Da unsere Kunden global vertreten sind, und ihre ECM-Lösungen auch global ausrollen, haben wir unser Life-Science-Team ebenfalls global aufgestellt. Das Management globaler Projekte basierend auf einer auditierbaren Software-Entwicklungs- und Projektmanagementmethode gehört für uns zum Alltag.
Welche Lösungen setzen Sie ein und was zeichnet diese aus?
Pelke: Wir fokussieren uns auf die »Documentum D2 LifeScience Solution Suite« von OpenText. Diese Lösung erfüllt einerseits die Anforderungen an regulatorische Compliance. Andererseits steigert sie Effizienz und Produktivität und koordiniert Zugriff, Kontrolle sowie Lokalisierung und ermöglicht somit eine sichere Zusammenarbeit im gesamten Unternehmen. Die vorkonfigurierten, integrierten Lösungen basieren auf Best Practices der Life-Science-Industrie und stehen in Form von spezifischen Business-Modulen für standardisierte Geschäftsprozesse der Unternehmensbereiche Qualitätssicherung, klinische und nicht-klinische Forschung sowie regulatorische Angelegenheiten zur Verfügung. Eine weitere Lösung in diesem Bereich ist »CSC FirstDoc«, die ebenfalls weit in der Branche verbreitet ist. Neben den Technologien von Opentext beschäftigen wir uns auch mit »Microsoft Sharepoint« (fachspezifische Abteilungslösungen), »Pivotal Cloud Foundry« (agile Software-Entwicklung auf einer Platform-as-a-Service Umgebung) und »Pivotal BigData Suite« (Plattform für Data Science).
Wie schätzen Sie den Sättigungsgrad für Digitalisierungsprojekte im Life-Science-Sektor ein?
Pelke: Die Frage kann pauschal nur schwer beantwortet werden. Während die Top-50-Unternehmen schon sehr weit sind, gibt es bei mittelständischen Unternehmen noch Handlungsbedarf. Was die großen Unternehmen im Moment beschäftigt, ist Personalized Medicine und Pharma 4.0. Darüber hinaus wird die nächste Stufe Richtung HaaS (Healthcare-as-a-Service) gehen. Hier wird zukünftig Gesundheit verkauft und nicht mehr eine Pille. Mit diversen Sensoren werden viele Messpunkte genommen, verarbeitet und auf Basis dessen ein Service angeboten. Unsere Unternehmensbereiche »Digitale Transformation« und Life Science bieten gemeinsam Workshops zum Thema Digitalisierung, kultureller Wandel und neue Geschäftsmodelle in der Life-Science-Industrie an. Ziel ist, dass unsere Kunden die Herausforderungen der Digitalen Transformation nutzen, um auch in Zukunft Erfolg zu haben.
Welche Vorteile ergeben sich durch die ECM-Einführung für die Anwender?
Pelke: Wenn eine Lösung nach den Anforderungen der Benutzer entwickelt und eingeführt wird, wird diese von den Anwendern auch akzeptiert und benutzt. Für den Einführungsprozess spielt vor allem aber auch das Change Management eine wesentliche Rolle. Mit der frühzeitigen und kontinuierlichen Begleitung der zukünftigen Anwender haben unsere Kunden sehr gute Erfahrungen gesammelt. Dabei legen wir Wert darauf, unterschiedlichen Anwendergruppen anzusprechen. Compliance Manager können sicher sein, dass die geforderten Regularien eingehalten werden und alle Informationen im Rahmen eines Audits griffbereit sind. Mitarbeiter aus dem Bereich Research finden schnell und einfach ihre Dokumente und alle zugehörigen Informationen. Gleichzeitig profitieren sie von einer hohen Dokumentenqualität auf Grund von vordefinierten Prozessen und Vorlagen. Mitarbeiter aus der Fertigung werden über Änderungen ihrer Arbeitsabläufe auf ihrem mobilen Endgerät informiert und können die neuen Anweisungen unmittelbar anwenden.