Interview mit Bertram Mandel, Liferay: Digitalstrategien laufen

In das Interview mit ECMguide.de zu Digital Experience lässt Bertram Mandel, General Manager DACH von Liferay, aktuelle Informationen der gerade stattgefundenen Liferay-Anwendertagung einfließen. Beispielsweise berichtet er von Unternehmen, die eine enge Zusammenarbeit zwischen IT und Marketing nicht nur organisatorisch, sondern auch physikalisch betreiben.

An welchen Projektarten arbeitet Ihr Unternehmen derzeit am häufigsten?

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Mandel: Die wesentlichen Projektkategorien, an denen wir aktuell arbeiten, sind: Erstens Digitalisierungsprojekte, in denen Abläufe im Sinne von Enterprise 2.0 realisiert werden, Produkt- und Dienstleistungs-Angebote digitalisiert werden und insgesamt die Integration nicht nur von B2X sondern auch die Integration von IoT gefragt ist, beispielsweise auch Connected-Car-Plattformen. Zweitens digitale Plattformen, bei denen der durchgängige Einsatz von Web und Mobile Experience für alle Teilnehmer, wie Interessenten, Kunden und Mitarbeiter an einer Customer Journey im Vordergrund steht. Drittens Portal-Projekte mit Schwerpunkten in skalierbaren Lösungen für Intranets, Extranets (Kunden- und Vertriebsportale) vor allem bei nationalen und internationalen Enterprise-Kunden.

Welche Ansätze bieten Sie für diese Projekte?

Mandel: Der Ansatz von Liferay geht davon aus, dass diese Projekte stets agil umgesetzt werden und ein größtmögliches Maß an Flexibilität der Lösung erforderlich ist, um auf den ständigen Wandel bestmöglich vorbereitet zu sein. Märkte, Kunden und Abläufe beziehungsweise Prozesse befinden sich durch die Digitalisierung im Wandel. Daher sind Lösungen gefragt, mit denen Unternehmen auch auf zukünftige Anforderungen, die heute noch nicht bekannt sind, rasch und flexibel reagieren können.

Wie stark beschäftigen sich Unternehmen von ihrem CMS ausgehend mit Digital Experience?

Mandel: Bei einer Umfrage auf dem »Liferay Digital Solutions Forum« am 22. und 23. Juni 2016 gaben die Teilnehmer an, dass 35 Prozent der Unternehmen eine Digitalstrategie haben, weitere 40 Prozent gaben an, an einer Digitalstrategie zu arbeiten. Über 70 Prozent der teilnehmenden Unternehmen beschäftigen sich nach den Ergebnissen dieser Umfrage mit der umfänglichen Integration digitaler Touchpoints und stufen eine durchgängige digitale Plattform als sehr wichtig ein. Die Kunden von Liferay setzen auf Content jeglicher Informations-Systeme, die für die genannten Lösungsbereiche erforderlich sind, um einen 360-Grad-Blick auf die (personalisierten) Kundenanforderungen abbilden und zielgerichtete Kommunikation ermöglichen zu können. Aus diesen Gründen ist die Integration »aller« Backend-Systems sowie die Funktionalität des integrierten WCMS (Web Content Management Systems) ausschlaggebend. Ist dies nicht der Fall, entstehen Silolösungen, die einen ganzheitlichen Blick auf den Kunden letztlich verhindern. Weiterhin ist die durchgängige Nutzung auf allen Endgeräten und vor allem auch das mobile Internet Grundvoraussetzung für die Mobile-First-basierte Strategie im Bereich Content-Delivery, Personalisierung und für ein zielgerichtetes Kampagnen-Management.

Welche weiteren Erkenntnisse konnten Sie auf der eben durchgeführten Anwenderveranstaltung gewinnen?

Mandel: Weiterhin konnten wir feststellen, dass für eine erfolgreiche Digitalisierung die Zusammenarbeit aller Funktionen erforderlich ist; mehr als dreiviertel der Teilnehmer des »Liferay Digital Solutions Forum« gaben etwa an, dass für sie die enge Zusammenarbeit zwischen IT und Marketing im Rahmen einer erfolgreichen digitalen Transformation eine sehr hohe Bedeutung hat. Einige unserer Kunden, die den erfolgreichen digitalen »Change« für Ihr Unternehmen realisieren konnten, bestätigen dies als einen wichtigen Erfolgsfaktor. Dies geht mitunter soweit, dass gemischte Teams aus Marketing/Business und IT nicht nur organisatorisch in Projektteams aufgestellt sind, sondern im gleichen Büro als sehr qualifizierte »gemischte Doppel« und mit relevanter Fach-Expertise aus beiden oder mehreren Bereichen eng zusammenarbeiten. Agilität und Schnelligkeit, die gerade bei digitalen Projekten so wichtig sind, werden auf diese Weise äußerst effizient gelebt.

Digital Experience verlangt Orientierung am Kunden

Wie definieren Sie Digital Experience?

Mandel: Eine erfolgreiche »Digital Experience« – damit ist die Art und Weise gemeint, mit der sich ein Unternehmen im digitalen Umfeld präsentiert – lässt sich realisieren, wenn Unternehmen eine Strategie verfolgen, die sich zunächst am Kunden orientiert. Diese wird nicht durch die Markteinführung neuer Technologien getrieben; vielmehr geht es um das Verständnis, dass Technologien dazu genutzt werden können (und sollen), um auf Kundenbedürfnisse zu antworten. Das bedeutet, dass Unternehmen im Front-End-Bereich, welches dem Kunden zugewandt ist, personalisiert und kontextrelevant auftreten und im Back-end flexibel und durchgängig integriert sein mu¨ssen.

Welche Aspekte sind hierbei relevant?

Mandel: Verschiedene Punkte wie die Integration aller Touchpoints des Kunden – von mobilen Endgeräten und Web über Kiosk, den Einbezug des IoT oder von Weareables bis hin zu E-Mail-Kommunikation, Call-Center, Social-Media oder der Integration von Offline-Touchpoints etwa am Point of Sale. Wichtig sind auch die Integration in alle relevanten Backend Systeme, um ohne Medienbrücke ein personalisiertes und holistisches Bild der Informationen bereitzustellen und der Einbezug aller Zielgruppen (Omni-Audience), um zu jeder Zeit alle beteiligten Ansprechpartner am Informationsfluss teilhaben zu lassen. Ziel ist die Schaffung eines »Single Customer View«, der eine durchgehende Interaktionen ermöglicht und aus dem eine gesamtheitliche Beurteilung der Kundenbedarfe – auch aus sozialen Netzen – abgeleitet werden kann.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die Hauptprobleme bei Digital Experience in Unternehmen?

Mandel: Genau die oben beschriebene Integration in Systeme, Prozesse und Zielgruppen ist ein Schlüssel für erfolgreiche Digitalisierungsprojekte. Wenn man vom Kunden her denkt und Lösungen implementiert, dann muss man ohne Medienbrüche alle relevanten Informationen bereitstellen, die dem Nutzer einen erfolgreichen nächsten Schritt ermöglichen. Daher steht das Thema Integration von Informationen bei Liferay auf verschiedensten Ebenen (Frontend, Workflow, APIs, Backend-Systeme, Zielgruppen, Bx2, IoT u.v.m.) im Fokus der Produktarchitektur. Auf Veranstaltungen zur Customer Experience, wie dem »7. Customer Experience Gipfel 2016«, diskutieren CMOs und CSOs gerade die fehlende Integrationsfähigkeit als Roadblock. Dies bestätigt auch eine kürzlich veröffentlichte Forrester-Studie, die zeigt, dass die größte technische Hürde für durchgängige digitale Kundenerlebnisse eine unzureichende Integration in Backend-Systeme ist. Kunden erwarten, dass sie problemlosen Zugang zu Informationen erhalten, die in diesen Systemen abgelegt sind. Dazu gehört ein Überblick über Bestellstatus und -historie, Probleme, die gemeldet wurden und Profilinformationen. Unternehmen, die alle Ressourcen und Abteilungen zugänglich machen, um ihren Kunden zu helfen, werden von treuen und zufriedenen Kunden profitieren. Zwar gibt es viele Lösungs-Angebote am Markt, die zielgruppenorientierte Inhalte und Angebote bereitstellen, um Verkäufe zu steigern. Dabei wird aber häufig versäumt, alle Zielgruppen in den Kundendialog einzubeziehen, die mit dem Kunden im Kontakt stehen.

So müssen CMS und Content gestaltet sein

Nicht nur das CMS ist für den Erfolg der Online-Aktivitäten wichtig, sondern natürlich auch der Content. Welche Tipps geben Sie Unternehmen in der Gestaltung des Contents?

Mandel: Das CMS ist nicht der Dreh-und Angelpunkt. Eine digitale Plattform, welche die Integration ermöglicht und flexibel auf Änderungsanforderungen reagieren kann, ist wohl die wichtigste Entscheidung im Rahmen einer Digitalstrategie. Hier ist die CMS-Funktionalität, oder besser die WCMS-Funktionalität, voll integriert und damit ein Baustein einer Digital Experience Plattform; nicht umgekehrt.

Was muss ein CMS bieten, um Digital Experience effektiv unterstützen zu können?

Mandel: Ein CMS muss als eine Komponente einer durchgängigen digitalen Plattform fungieren. Nur so kann sichergestellt werden, dass dieses nachhaltig eingesetzt wird und nicht perspektivisch zu einem »Wegwerf«-Modul wird, das von einer Fachabteilung und ohne Berücksichtigung aller Zielgruppen und Anwenderbedarfe zum Einsatz kommt.

Welche aktuellen Anwenderbeispiele zeigen besonders innovative Ansätze mit Digital Experience?

Mandel: Spannende und innovative Projekte sehen wir im Bereich Connected Car, da das Internet inzwischen auch Einzug ins Automobil gehalten hat und neue digitale Services für Insassen angeboten werden. Hier kommen digitale Plattformen ebenso zum Einsatz wie bei durchgängigen Lösungen vom Intranet über das Extranet bis hin zum Internet, mit denen Unternehmen zum Beispiel einen Artikel nur einmal verwalten müssen, um gleiche Inhalte mehreren Nutzergruppen kontextrelevant zugänglich zu machen. Auch die effiziente Entwicklung voll integrierter mobiler Anwendungen, die gleichzeitig zentral gesteuert werden können, wird relevanter. Unternehmen wünschen sich hochperformante automatisierte und personalisierte Dashboards für komplexe Anwendungen, wie dies etwa mit Single-Page-Application (SPA) möglich ist. Und natürlich sehen wir viele Projekte, die sich mit neuen digitalen Geschäftsmodellen unter Einbezug des Internet of Things (IoT) befassen, bei denen eine optimale Digital Experience erfolgsentscheidend ist.

Welche neuen Services und Produkte sind aus Ihrem Hause geplant, um Digital Experience besser zu realisieren?

Mandel: Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem alle Fachabteilungen, die mit und für den Kunden arbeiten, einbezogen werden. Liferay und die zertifizierten Partner bieten entsprechende Beratungen an, bei denen die umfassende Sicht und die Integration aller Zielgruppen, Systeme sowie Prozesse im Vordergrund stehen. Die Plattform, mit der Liferay in Customer-Experience- und Digital-Experience-Projekten eine nachhaltige und durchgängige Umsetzung ermöglicht, heißt »Liferay Digital Experience Platform« (DXP). Sie bietet eine flexible Architektur für die digitale Transformation, mit der sich eine digitale Strategie rasch implementieren und mittels wiederverwendbarer Microservices sowie der Integration in bestehende Applikationen an neue Anforderungen flexibel anpassen lässt. Abteilungen und Bereiche, die eng mit Kunden zusammenarbeiten, können – angefangen von Marketingkampagnen bis hin zu Kundenserviceprozessen – hochpersonalisierte Erlebnisse schaffen, in dem nützliche Informationen, Angebote oder Ressourcen auf definierte Segmente oder Ansprechpartner zugeschnitten werden. Das Angebot »Single Customer View« erlaubt durch die Zusammenführung aller Interaktionen mit dem Unternehmen und wichtiger Datenpunkte, wie Kundenbedürfnisse und Interessen, ein ganzheitliches Verständnis zur Kundensituation. Die Engagement-Daten – wie beispielsweise Klickraten, betrachtete Videoinhalte, Community-Aktivitäten oder Social-Media-Verhalten – geben dem Unternehmen weitere Hinweise für Maßnahmen zur Realisierung einer verbesserten Customer Experience.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.