Interview zu E-Mail-Mangement-Trends, Zöller & Partner
Da die Kommunikation per E-Mail immer weiter zunimmt, empfiehlt Bernhard Zöller, Geschäftsführer des DMS-Beratungshauses Zöller & Partner, sie nicht in Unternehmen »wuchern« zu lassen. Er sieht weder in DE-Mail und E-Postbrief noch in Twitter und sozialen Netzen große Konkurrenz zur E-Mail als das geschäftliche Kommunikationsmedium.
Wie hoch ist aus Ihrer Sicht das Potenzial für E-Mail-Management-Lösungen in deutschen Unternehmen?
Zöller: E-Mail ist die am schnellsten wachsende und am häufigsten genutzte Kommunikationsform. Ich denke, es wird mittlerweile sogar mehr E-Mail verschickt als telefoniert. Daher ist es für alle Firmen wichtig, diese Kommunikationsform nicht wuchern zu lassen. Vor allem wenn es um aufbewahrungswürdige Informationen geht. Daher hoher Stellenwert und somit ein hohes Potenzial. Das Problem dieser Frage ist allerdings in der Begrifflichkeit verborgen. »Management« macht ja auch bereits der normale E-Mail-Server. Wo eine Definition fehlt – beziehungsweise wo die Begrifflichkeiten so generisch sind – ist man schnell in der Situation, dass sich Unternehmen aufgrund der mangelnden Konkretisierung abwenden, weil mit dem ernsten Kern häufig auch Marketing oder reine Hypes transportiert werden.
Es gibt die unterschiedlichsten Lösungen für E-Mail-Management: Client- und serverseitige, hardware- und cloudbasierte Lösungen. Zu welcher Art tendieren die Anwender derzeit am meisten?
Zöller: Das kommt auf die Aufgabenstellung an: Wenn bestimmte E-Mails in einen bestimmten Sachzusammenhang gestellt werden müssen, kommt man an der Anwender-getriebenen Ablage kaum vorbei, außer die E-Mail ist »vorbereitet«, das heißt es handelt sich um eine Rückläufer-Mail, die beim Versand bereits so gekennzeichnet wurde, dass sie nach Rücksendungen eindeutig zugeordnet werden kann. Das ist aber für den Löwenanteil der E-Mails nicht der Fall. Regelbasierte E-Mail-Archivierung dient eigentlich nicht der fachlichen Zuordnung sondern meistens der Verschlankung der E-Mail-Infrastruktur. Hier kann es auch einen Mix geben: Die Anwender legen die Mail in einem bestimmten Ablagebereich (Anwendergetriebene Zuordnung) und ein Regelwerk pollt diese Bereiche und arbeitet die Inhalte ab. Cloud-basierte Lösungen sehen wir bei unserer Kundschaft, die aus mittelständischen und großen Unternehmen besteht, derzeit nicht.
Rein Client- oder rein Server-seitige E-Mail-Archivierung haben jeweils ihre Nachteile. Empfiehlt sich daher nicht in jedem Fall eine Hybrid-Lösung?
Zöller: Wie gerade beschrieben kommt es wirklich auf die spezielle Aufgabenstellung an. Wenn ein Mitarbeiter die E-Mail einfach in eine E-Akte verschieben kann, dann kann es sein, dass keine andere Komponente notwendig ist. Daher kennen wir viele Projekte, in denen nichts anderes als die anwendergetriebene E-Mail-Ablage notwendig und sinnvoll ist. Es gibt natürlich auch Fälle, wo man einen Mix hat: wenn zum Beispiel das DMS keine vernünftige Lösung bietet (kommt oft vor), wenn der Anwender erst noch eine Weile im E-Mail-System und nicht in der ECM-Lösung arbeiten soll (weil das ECM-System vielleicht keine vernünftige offline-Lösung für E-Mail bietet): in solchen Fällen kann man über eine Hybridvariante nachdenken. Die erhöhte Komplexität macht es aber eher unbeliebt.
Welche Vor- und Nachteile sehen Sie bei dem steigenden Angebot für cloudbasiertes E-Mail-Management?
Zöller: Unsere Kunden haben derzeit nicht vor, ihre E-Mail-Systeme in der Cloud zu betreiben. Hosting bei Dienstleistern ja, echte Cloud: nein. E-Mail-Systeme sind geschäftskritische Anwendungen. Eine Firma kann vielleicht mal zwei Tage ohne ERP-Lösung arbeiten aber ein Tag ohne E-Mail? Nicht vorstellbar, das wäre der Gau. Daher besteht aus unserer Wahrnehmung bei mittelständischen und großen Unternehmen äußerste Zurückhaltung beim Thema E-Mail und Cloud: von den aktuellen Diskussionen um Zugriffe durch Dritte mal ganz abgesehen, die dem Thema Cloud sicherlich nicht förderlich waren. Bei E-Mail kommt erschwerend noch dazu, dass die täglichen Volumina um Potenzen über den Transfervolumen für gehostete ERP-Systeme liegen. Die Netzwerkinfrastruktur zwischen der Cloud und dem Anwender muss das ohne Verschlechterung zur bisherigen On-Premise-Situation hergeben.
Was wird bei der Implementierung einer E-Mail-Management-Lösung von Anwendern häufig unterschätzt?
Zöller: Die Komplexität der betriebenen Systeme, die – zum Teil unnötig – komplexen Rechteregelungen, die Vermischung privater, persönlicher und nicht-persönlicher Unterlagen, die Tatsache, dass die E-Mail Systeme heute nicht nur für Textkommunikation verwendet werden, sondern gleichzeitig Ablagestrukturen für wichtige Unterlagen entstanden sind, die mangelnde Offline-Funktionalität der Ersatzlösungen (E-Mail-Management oder ECM), daneben eine Reihe weiterer kleiner Details, wie Verteilerlisten, gewohnte Suchfunktionen, etc.
Welche Sicherheitsmaßnahmen sind bei der Implementierung einer E-Mail-Management-Lösung besonders zu beachten?
Zöller: Die gleichen wie bei einer E-Mail-Lösung. Die rechtliche Situation ändert sich ja nicht durch die Verwendung eines anderen Verarbeitungs- oder Ablagesystems.
Die E-Mail konkurriert mit vielen weiteren elektronischen Nachrichtensystemen wie sozialen Netzwerken, E-Postbrief, De-Mail und Twitter. Welche Konsequenzen hat dies für E-Mail-Management-Systeme?
Zöller: Für uns ist das noch nicht entschieden, dass E-Mail mit De-Mail oder dem E-Postbrief konkurriert. Das muss die Zeit zeigen, aber derzeit sind die Meldungen zu diesen beiden Diensten eher ernüchternd. Bei Twitter und den sozialen Netzwerken sehe ich ebenfalls keine Konkurrenz, weil hier eine komplett andere Kommunikation stattfindet. Wenn ich im Tunnel im Zug sitze, kann ich trotzdem E-Mail schreiben und lesen, weil E-Mail eine asynchrone Dienstnutzung ermöglicht. Das geht bei Twitter und den sozialen Netzen nicht. Die meisten Anwender wissen wie man ein oder mehrere Dokumente an eine E-Mail hängt. Das geht in Twitter gar nicht und nicht in allen sozialen Netzen. Die Liste der »anderen« Funktionen ließe sich beliebig verlängern. Quintessenz ist: ich denke, es wird neue ergänzende Kommunikationsformen geben, aber eine ernsthafte Alternative zum normalen E-Mail-Dienst stellen sie derzeit nicht dar. Auch das immer wieder gebrachte Beispiel von ATOS, die ja öffentlich dargestellt haben, E-Mail abzuschaffen ist eher eine Bestätigung unserer Meinung. Liest man sich die Ankündigungen von ATOS durch, dann lernt man, dass nur die INTERNE Kommunikation gemeint war, die externe und die rechtsverbindliche Kommunikation läuft wie bisher über klassisches E-Mail. Das man aber interne Diskussionen nicht per E-Mail sondern in Web-Anwendungen wie Diskussionsforen, Blogs oder einer SocialNet-Anwendung führen sollte, ist natürlich der richtige Weg und auch nicht selten oder exotisch.
Gibt es bereits überalterte E-Mail-Management-Lösungen am Markt und wie sollen Anwender damit umgehen?
Zöller: Es gibt in jedem Software-Segment Lösungen, die nicht mehr den aktuellen Anforderungen entsprechen, weil der Anbieter hier nicht mehr investiert, weil er nach Übernahme der herstellenden Firma hier kein Kerngeschäft sieht oder aus anderen Gründen. Was sollte man tun? Wenn die Lösung tut, was sie soll, aber man das Gefühl hat, dass das nicht mehr lange gut geht, dann sollte man sich ein Migrationspapier in die Schublade legen, diejenigen Mitarbeiter oder Partner identifizieren, die bei der Migration wichtig sind und überlegen ob man weitere Investitionen in das System tätigt, die eine Migration erschweren. Als Kunde hat man immer auch das Recht sich eine Produkt-Roadmap einzuholen, die einem konkret aufzeigt, welche neuen Funktionen in den nächsten drei bis fünf Jahren zur Verfügung stehen werden. Hat man Recht mit seiner Befürchtung, dann wird da nicht viel drinstehen außer ein paar Bugfix-Themen.
Welche Anforderungen muss ein E-Mail-Management-System in jedem Fall erfüllen?
Zöller: Schwierige Frage, die ich erst beantworten könnte, was genau mit dem Begriff gemeint ist: ist Mail-Response gemeint oder E-Mail Archivierung oder Verschlankung oder Journalisierung? Jeder Begriff deckt andere Funktionen ab.
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