Onlinezugangsgesetz zwischen Aufbruch und Frust
Die BundID soll´s beim Onlinezugangsgesetz richten
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Es ist Management-Wissen für Anfänger: Aus jeder Besprechung sollte wenigstens irgendein Ergebnis – und sei es noch so klein – kommuniziert werden, um allen Beteiligten das gute Gefühl zu geben, dass etwas voran geht. Die Bundesregierung kennt diese Regel offenbar auch. Deshalb fand die Sitzung des Bundeskabinetts Ende Mai zum Onlinezugangsgesetz auch weitgehend ein positives Echo.
Denn schließlich konnte man mitteilten : »Mit der BundID wird es künftig ein zentrales Bürgerkonto für alle geben. Bürgerinnen und Bürger können sich dadurch sicher identifizieren und Anträge stellen. Über ein digitales Postfach kann zudem mit den Behörden kommuniziert und Bescheide zugestellt werden.« Auch Unternehmen sollen zukünftig alle Anträge über ein Konto stellen können. In fünf Jahren (also Mitte 2028) sollen unternehmensbezogene Verwaltungsdienstleistungen ausschließlich noch elektronisch angeboten werden – wenn diese »der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts dienen.« Das in der Mitteilung der Bundesregierung verkündete »digital only« gilt also wieder einmal nur für bestimmte Bereiche.
Erster Anlauf des OZG gründlich gescheitert
Dem Bitkom reißt dabei langsam der Geduldsfaden. Im Vorfeld der Kabinettssitzung sagte Verbandspräsident Achim Berg: »Das digitale Deutschland ist ein Failed State.« Aus seiner Sicht bringt das OZG 2.0 (offiziell OZG-Änderungsgesetz – OZGÄndG ) keine wirkliche Besserung. Die Bundesregierung verpasse damit die Chance, die Digitalisierung der Verwaltung wirklich konsequent voranzutreiben. »Der vorliegende Gesetzentwurf ist kein OZG 2.0, sondern allenfalls ein OZG 1.1« kritisiert Berg. »Der Bund will sich noch einmal fünf Jahre Zeit lassen, bis seine eigenen Verwaltungsleistungen digital abgewickelt werden können. Jetzt rächt sich, dass die internen Verwaltungsprozesse nicht konsequent modernisiert wurden.«
Das erste OZG stammt aus dem Jahr 2017. Laut Berg wäre damit »eigentlich Zeit genug für eine umfassende Digitalisierung im Bund« gewesen. Die aktuelle Regierung trägt hier natürlich auch die Erblast der Versäumnisse ihres Vorgängers. Bis Ende 2022 hatten es Bund, Länder und Kommunen lediglich geschafft, 33 von 575 Services flächendeckend online anzubieten.
Kompetenzwirrwar, fehlende Standards und Unverbindlichkeit
Ulrich Silberbach, Chef des dbb Beamtenbund und Tarifunion, der mit über 1,3 Millionen Mitgliedern größten Interessenvertretung für Beamte und Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst, nimmt zumindest seine Klientel in Schutz. Das verpflichtende Ziel des ursprünglichen Onlinezugangsgesetz sei nicht deshalb verfehlt worden, weil die Beschäftigten in den Verwaltungen nicht mitgespielt hätten. »Ursächlich für diesen Digitalisierungs-Fail waren das fortgesetzte Kleinklein aus Zuständigkeiten und Kompetenzen, fehlende Standards, unzureichende Verbindlichkeit und eine ungenügende Einbeziehung der Prozesse und des Workflows in den Verwaltungen«, erklärt er.
Der im vergangenen Jahr beschlossene »OZGBooster« der dafür sorgen sollte, dass wenigstens ausgewählte OZG-Leistungen schneller zur Verfügung stehen, habe laut Silberbach keine echte Beschleunigung gebracht. »Daher muss der zweite Anlauf zur Digitalisierung der Verwaltung jetzt sitzen, der Staat muss liefern«, forderte Silberbach. » Nicht nur die von einer erdrückenden Aufgabenlast und Personalmangel ausgebremsten Kolleginnen und Kollegen warten auf digitale Entlastung, sondern auch und völlig zu Recht die Bürgerinnen und Bürger.«
PC ersetzt den Füller
Dem DBB-Chef sprang vor einigen Wochen indirekt schon die ARD-Sendung REPORT MAINZ zur Seite. Sie veröffentlichte damals Ergebnisse einer eigenen Umfrage unter den 100 größten deutschen Städten. Demnach klagen Amtsleiter nahezu durchweg über Personalmangel und zu viel Bürokratie. Außerdem deuten die Umfrageergebnisse darauf hin, dass die Digitalisierung vielfach falsch angegangen wird.
Michael Ziemons, Sozialdezernent der Städteregion Aachen, erklärte in der Sendung etwa, dass die Bearbeitung von Elterngeldanträgen dort immer noch mehrere Monate dauere. Zwar verfüge die Stadt über einen digitalen Elterngeldantrag, dieser müsse aber im Amt aufgrund verschiedener Vorschriften noch immer als Ausdruck mit Unterschrift eingereicht werden. Jeder dieser Anträge müsse dann einzeln gescannt werden. »Das bedeutet für alle Beteiligten unnötig viel Arbeit. Und in der Regel fehlt dann ein Dokument oder ist nicht eindeutig. Am Ende geht fünfmal Post hin und her, bevor wir den Antrag bearbeiten können«.
Medienbrüche sind Alltag
Das ist der Sendung zufolge kein Einzelfall. Auch in anderen Städten und Regionen ist der Medienbruch eher die Regel als die Ausnahme. Man habe die klassische Bürokratie lediglich elektronifiziert und fülle nun Formulare nicht mehr mit der Hand, sondern mit dem PC aus, konstatierte Professor Hans-Henning Lühr, Verwaltungswissenschaftler an der Universität Bremen, in der ARD.
Einen weiteren wunden Punkt spricht Professor Dr. Thomas Meuche an. Er ist Leiter des Kompetenzzentrums Digitale Verwaltung an der Hochschule Hof. Der Onlinezugang der Bürger ende bisher im Rathaus. »Und was danach passiert, interessiert das Onlinezugangsgesetz nicht«, kritisierte Meuche in der ARD. Seiner Ansicht nach könne jedoch eine bessere Digitalisierungsstrategie die Ämter wesentlich entlasten und so auch dazu beitragen, den sich zuspitzenden Personalmangel zu kompensieren.
Single-Digital-Gateway-Verordnung kommt bald
DBB-Chef Silberbach gibt zudem zu bedenken, dass mit der europäischen Single-Digital-Gateway-Verordnung Ende 2023 schon die nächste gesetzliche Frist ansteht, zu der »21 Verwaltungsdienstleistungen vollständig online und medienbruchfrei über ein zentrales Portal zugänglich gemacht werden müssen«.
Ob die nach der Kabinettssitzung als Erfolg verkaufte BundID und die neue Strategie aufgeht, Behörden von Bund, Ländern und Kommunen bei ihren digitalen Angeboten zur Nutzung der einheitlichen BundID zu zwingen, bleibt laut Silberbach abzuwarten. »Der einheitliche Ansatz ist richtig, das BundID-Konto muss aber endlich raus aus seinem Schattendasein. Dazu müssen sich alle Gebietskörperschaften bekennen, nicht zuletzt, um die Glaubwürdigkeit des Vorhabens zu stärken und ein Momentum bei Beschäftigen wie Bürgerinnen und Bürgern auszulösen. Bisher haben erst 11 Bundesländer explizit erklärt, dass sie die BundID übernehmen wollen – es wäre fatal, wenn das erneut in einem Kleinklein endet«, warnte Silberbach.