Interview mit DMS-Berater Christoph Tylla von Pentadoc

Als DMS-Berater bei der Beratungsgesellschaft Pentadoc begleitet Christoph Tylla auch viele mittelständische Unternehmen bei Digitalisierungsprojekten. Gerade beim Thema Cloud sieht er große Chancen für den Mittelstand.

Die Community und Miro liefern zahlreiche Vorlagen für verschiedene Anwendungen (Bild: Miro)

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Christoph Tylla berät mittelständische Unternehmen bei DMS-Projekten (Bild: Pentadoc)

Bei Pentadoc erleben Sie als DMS-Berater viele Praxisprojekte bei Unternehmen unterschiedlicher Größen. Inwieweit hinken aus Ihrer Sicht mittelständische Unternehmen beim Einsatz von Dokumenten- und Enterprise-Content-Management-Systemen größeren Unternehmen hinterher?

Tylla: Es wäre zu kurz gegriffen, die Unterscheidung im Einsatz von Dokumenten- und Enterprise-Content-Management-Systemen pauschal von der Segmentierung nach Mittelstand und Großunternehmen abhängig zu machen. Natürlich ist die Verbreitung von Input-, Dokumenten- und Output Management Systemen im Konzernumfeld deutlich höher, da diese Unternehmen ohne derartige Systeme überhaupt nicht arbeitsfähig wären. Allerdings ergeben sich ebenso deutliche Unterschiede beispielsweise in der Branchenzugehörigkeit. So ist ein 200 Mitarbeiter großes E-Commerce-Unternehmen unter Umständen deutlich digitaler ausgerichtet als ein 2.000 Mitarbeiter großes Stadtwerk. Was tatsächlich einen bemerkbaren Wandel zwischen mittelständischen Unternehmen und Großkonzernen bewirkt, ist der aktuelle Cloud-Wandel. Und hier fällt das Nachsehen eher auf Großunternehmen. Denn während mittelständische Unternehmen die Entwicklung in Richtung Cloud lediglich als eine Art strategische Entscheidung für kommende Projekte beschließen können, bedeuten derartige Vorhaben im Konzernumfeld oftmals mehrjährige, große Migrationsprojekte. Ein mögliches Hinterherhinken der einen oder anderen Seite muss daher sehr differenziert betrachtet werden.

In welchen Fach- und Themenbereichen kommen DMS-Lösungen vornehmlich im Mittelstand zum Einsatz?

Tylla: Neben der klassischen zentralen, revisionssicheren Archivierung stehen häufig die Einführung einer elektronischen Rechnungseingangsverarbeitung, Vertragsmanagement, Workflow-Szenarien – beispielsweise Freigabeverfahren – sowie die Umsetzung elektronischer Aktenverfahren im Fokus. Dabei stellen insbesondere die Automatisierung von Geschäftsprozessen sowie die Umsetzung elektronischer Aktenverfahren langfristige Projekte dar, in denen schrittweise die Digitalisierung innerhalb der Organisation vorangetrieben wird.

In welchen Bereichen erwarten Sie in den kommenden Monaten einen Ausbau der eingesetzten DMS-Lösungen im Mittelstand?

Tylla: Wir erwarten einen deutlichen Zuwachs an Cloud-basierten DMS-Lösungen. Thematisch erscheinen die zuvor genannten Themen weiterhin relevant.

Ist KI in Verbindung mit DMS für den Mittelstand ein Thema?

Tylla: Derzeit weisen KI-Modelle insbesondere im Bereich von Input Management-Lösungen den höchsten Reifegrad auf, da sie bereits in Standardprodukten integriert und angeboten werden. Während wir im Konzernumfeld mittlerweile auch konkrete Vorhaben zur Etablierung von KI-Modellen zur Geschäftsprozessautomatisierung wahrnehmen, ist der Mittelstand noch nicht so weit. Wir gehen mittelfristig jedoch von einem deutlichen Einfluss von KI-Ansätzen im DMS- und ECM-Segment aus.

Was tatsächlich einen bemerkbaren Wandel zwischen mittelständischen Unternehmen und Großkonzernen bewirkt, ist der aktuelle Cloud-Wandel.

Welche Hürden und Hindernisse verhindern den Einsatz von DMS-Lösungen?

Tylla: Bei der Vielzahl der am Markt verfügbaren Lösungen und Betriebsmodellen liegen Hürden beziehungsweise Hindernisse lediglich am Verständnis der Entscheidungsträger über den Nutzen und die Einsatzmöglichkeiten der Lösungen.

Gibt es Ihrer Erfahrung nach typische Fehler, die gerade im Mittelstand häufig bei DMS-Projekten vorkommen?

Tylla: Die Ursachen gescheiterter DMS-Projekte sind häufig sehr ähnlich gelagert:

Erstens eine fehlende Anforderungsanalyse: Ein System, das unterschiedlichste Organisationseinheiten in täglichen Arbeitsabläufen unterstützen soll, muss konkreten fachlichen und technischen Anforderungen gerecht werden. Häufig mangelt es an einer fundierten Erhebung und Definition dieser Anforderungen.

Zweitens eine mangelhafte Produktauswahl: Die Leistungsdichte der am Markt verfügbaren Lösung ist hoch. Um Unterschiede und eine passende Lösung zu identifizieren, bedarf es einer strukturierten Anforderungsbeschreibung beziehungsweise gut aufbereiteter Ausschreibungsunterlagen. Häufig werden Herstelleranfragen derart willkürlich formuliert, dass kaum vergleichbare Angebote eingehen.

Drittens eine naive Produkteinführung: Selbst bei einem gut strukturierten Produktauswahlverfahren bedarf es in der Einführungsphase einer vernünftigen Anforderungsdefinition sowie vollumfänglicher Test- und Abnahmekriterien, die häufig nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt werden. Zudem wird häufig der Faktor Mensch unterschätzt, wonach die betroffenen Mitarbeitergruppen zu wenig oder gar nicht einbezogen werden.

Cloud oder On-Premises – Welches Modell empfehlen Sie mittelständischen Unternehmen für das Dokumentenmanagement?

Tylla: Mittlerweile überwiegen die Vorteile von Cloud-Lösungen und stellen ganz klar die Zukunft eines innovativen Dokumentenmanagements dar. In Ausnahmefällen beziehungsweise besonders kritischen Anforderungsfällen mögen Hybridverfahren derzeit noch nachvollziehbar erscheinen. Der Trend, selbst unter Berücksichtigung höchster Sicherheitsanforderungen, verlagert sich jedoch unweigerlich in Richtung Cloud-Technologien.

Wir gehen mittelfristig von einem deutlichen Einfluss von KI-Ansätzen im DMS- und ECM-Segment aus.

Worauf sollten Kaufinteressenten des Mittelstands bei der Lösungsauswahl außerdem besonders achten?

Tylla: Wie zuvor beschrieben sind die am Markt verfügbaren DMS-Lösungen rein funktional sehr vergleichbar. Umso mehr können Interessenten auf Faktoren der Benutzerfreundlichkeit und Produktphilosophie Wert legen. Insbesondere in der Cloud-Philosophie sowie dem Reifegrad lassen sich aktuell noch deutliche Unterschiede am Markt feststellen.

Schnelles Auffinden digitaler Dokumente, Abbau von Papierbergen und weniger fehlerhafte Daten sind Hauptargumente für Dokumentenmanagement-Systeme. Welche Vorteile gibt es sonst für Mittelständler beim DMS-Einsatz?

Tylla: Vor allem die Reduktion von Papierdokumenten in täglichen Arbeitsabläufen und innerhalb der Organisation sind merkbare Vorteile. In der gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten, der Weiterleitung zur Kenntnisnahme oder in Freigabeverfahren entfallen mühsame Papierläufe zwischen Fachabteilungen und eine häufig schnellere und für die Mitarbeiter einfachere Bearbeitung wird ermöglicht.

Was spielt für DMS-Projekte im Mittelstand aus Ihrer Sicht sonst noch eine größere Rolle?

Tylla: Das Verständnis, dass ein DMS-Projekt kein IT-Projekt ist. Unsere Beratung setzt auf fünf Dimensionen, die aus unserer Sicht relevant für derartige Digitalisierungsprojekte sind: Neben Technologie sind es die Prozesse, die Organisation, die Strategie sowie die Kultur. Eine DMS-Einführung sollte stets unter Berücksichtigung dieser Dimensionen erfolgen.

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About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.