M&A-Aktivitäten 2024 im ECM-Bereich
Die Trendthemen Prozessautomatisierung, Künstliche Intelligenz und E-Government führten 2024 bei einigen ECM-Herstellern zu Firmenübernahmen. Zudem kam es zu Konsolidierungen in Unternehmensgruppen und zu Investorenwechseln. -Update mit Übernahme von JobRouter-
Automatisierung von E-Rechnungs- und Geschäftsprozessen
Inhalt dieses Artikels
Nicht zuletzt aufgrund der ab 2025 verpflichtenden E-Rechnung im B2B-Bereich spielte die Automatisierung von E-Rechnungsprozessen auch bei den Gründen für Unternehmensübernahmen im Jahr 2024 eine Rolle. Aber auch in anderen Bereichen ist die Automatisierung von Geschäftsprozessen wichtig, um von der Digitalisierung zu profitieren.
JobRouter kauft sycat
Der Softwarehersteller für Prozessautomatisierungen JobRouter hat gleich im Januar sycat übernommen, die auf die Entwicklung von Software für integrierte Managementsysteme (IMS) und Prozessmanagement spezialisiert sind. Zudem verfügt das Unternehmen über Kompetenz im Bereich der Organisations- und Prozessberatung. Gemeinsam wollen JobRouter und sycat nun Prozessmanagement und Prozessautomatisierung aus einer Hand anbieten. Zusammen bilden sie eine Organisation mit mehr als 140 Mitarbeitenden, deren Produkte bei mehr als 4.500 Unternehmen im Einsatz sind. sycat allein zählt über 2.750 Kunden, 40 Beschäftigte und 23.500 vergebene Lizenzen. Mit Hilfe des Low-Code-Ansatzes von JobRouter sollen die Kunden von sycat nun in der Lage sein, ihre modellierten Prozesse schnell in digitale und automatisierte Geschäftsprozesse zu wandeln. IMS-Funktionen für die Prozessmodellierung und das integrierten Aufgaben- und Maßnahmenmanagement zeigen, wie Prozesse ablaufen und welche Berechtigungen, Schwachstellen oder Aktionen existieren. Dass dies bei kritischen Prozessen wie der Rechnungsverarbeitung sehr vorteilhaft ist, unterstrich Marcus Nagel, Co-CEO der JobRouter AG, im Hinblick auf die getätigte Übernahme von sycat.
Vor wenigen Tagen wurde nun JobRouter selbst übernommen. Das US-Softwareunternehmen Aptean erwarb JobRouter von der privaten Beteiligungsgesellschaft Main Capital Partners, die wie später erwähnt wird auch bei MACH investiert sind. Die Übernahme von JobRouter soll Apteans Fähigkeiten im Bereich der Prozessautomatisierung erweitern und die Lösungen für die globale ERP-Kundenbasis von Aptean ausbauen.
xSuite Group übernimmt tangro
Prozessautomatisierung steht auch beim Ahrensburger Softwarehersteller xSuite Group sowie dem von ihm im Mai übernommenen Heidelberger Softwareanbieter tangro im Fokus. Beide Unternehmen digitalisieren Dokumentenprozesse in SAP beziehungsweise S/4HANA und bieten Lösungen für E-Rechnungen sowie Purchase-to-Pay-Prozesse. Die Übernahme soll xSuite eine Erweiterung des Angebotsspektrums im Order-to-Cash-Bereich sowie Stärkung des Know-hows bei Purchase-to-Pay-Prozessen ermöglichen. Vereinte Lösungen für die SAP-Systemlandschaft sind für Clean-Core-Strategien im Kontext der S/4HANA Cloud und der Business Technology Platform (BTP) angekündigt.
DATEV wappnet sich für E-Rechnungsplattform
Mit Blick auf die E-Rechnungspflicht im B2B-Bereich übernahm DATEV im März die Mehrheit am Netzwerkspezialisten b4value.net GmbH. In dessen Expertise und Technologie sieht der Nürnberger IT-Dienstleister eine gute Möglichkeit, seine Aktivitäten rund um die gesicherte Übermittlung von Geschäftsdokumenten und Daten durch ein spezialisiertes Netzwerk zu erweitern. Damit will sich DATEV auf ein elektronisches Meldesystem vorbereiten, das im Zuge der E-Rechnungspflicht ein längerfristiges politisches Ziel ist, und den E-Rechnungsaustausch von Unternehmen abbilden soll. Ähnlich wie beispielsweise in Italien soll durch eine Zugriffsmöglichkeit der Finanzbehörden Umsatzsteuerbetrug vermieden werden. Obwohl es noch keine genauen Fristen und technische Vorgaben für das elektronische Meldesystem in Deutschland gibt, rechnet DATEV laut einem Sprecher mit dessen Einführung ab 2028. Daher arbeitet die Genossenschaft selbst an der Entwicklung eines entsprechenden Systems.
DATEV und b4value.net kooperierten vor der Übernahme bereits im Rahmen des Angebots »DATEV SmartTransfer«, das Teil des TRAFFIQX von b4value.net Netzwerks ist. Das »TRAFFIQX« Netzwerk stellt eine Plattform für den sicheren elektronischen Dokumenten- und Datenaustausch im europäischen Raum dar. Rund um zukunftsfähige Prozesse für die Distribution elektronischer Geschäfts- und Rechnungsdaten sieht DATEV-CEO Prof. Dr. Robert Mayr eine große Dynamik im Markt. Als Genossenschaft der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sei es ein Auftrag für DATEV, diese Berufsstände von vorherein in die entstehenden Datenkreisläufe einzubinden, um ihre Arbeit für den Mittelstand bestmöglich unterstützen zu können.
Konsolidierung der dataglobal Group
Seit Ende April ist der Anbieter von Software für das Ressourcen-, Personal- und Sozial-Management vykon Teil der dataglobal Group aus Heilbronn. vykon erweitert das dataglobal Produktangebot mit Lösungen für das ökonomische Arbeiten und Ressourcenmanagement. Zum 1. Oktober hat dataglobal Group dann eine Umfirmierung durchgeführt: nun trägt die vykon GmbH & Co. KG den Namen dataglobal München GmbH & Co. KG. Ebenfalls umfirmiert wurde der bekannte deutsche ECM-Hersteller windream GmbH in dataglobal Bochum GmbH, der schon 2023 zu dataglobal hinzukam. Die ECM-Software heißt aber weiterhin windream. Für Nicolas Schwarzpaul, CEO der dataglobal Group, war es wichtig, »unser Zusammenwachsen innerhalb der Gruppe auch nach außen zu dokumentieren.« Der Digital Workplace der dataglobal group führe die digitale Arbeit remote mit der Arbeit im Büro zusammen. Schwarzpauls Worten nach erlauben die ECM- und Cyber-Security-Lösungen von überall aus, den sicheren Zugriff auf intelligent verwaltete Dokumente, während das intuitive Desk- und Raummanagement den kreativen Austausch und die Teamarbeit fördert.
Konsolidierung der MACH Gruppe
Ähnlich wie dataglobal hat auch die MACH Gruppe im Juli einzelne aus Akquisitionen stammende Unternehmenstöchter stärker unter einem gemeinsamen Dach zusammengeführt und ihnen einen gemeinsamen Markenauftritt verpasst. Die MACH Unternehmensgruppe unterstützt Behörden und Unternehmen der öffentlichen Hand mit Verwaltungssoftware bei der Digitalisierung. Durch den Zusammenschluss von MACH AG, DATA-PLAN, Form-Solutions ist ein gemeinsames Portfolio geplant, das auf die unterschiedlichen Bereiche, variablen Größen und spezifischen Anforderungen der öffentlichen Einrichtungen zugeschnitten ist. Das betrifft Kommunen, Länder und den Bund, genauso wie Stiftungen, Kirchen, Hochschulen und Institute. Data-Plan kam 2021 zur Unternehmensgruppe hinzu, während Form-Solutions Anfang 2022 integriert wurde. bildbau erweiterte den Unternehmensverbund im Sommer 2023. Neuer, noch nicht integrierter Zuwachs ist mps public solutions, das im November über den niederländischen Finanzinvestor Main Capital Partners zur MACH Gruppe hinzukam. Am Softwarehersteller für Kommunen, öffentliche Betriebe und soziale Einrichtungen mps hatte sich Main Capital Partners erst im Juli dieses Jahres beteiligt. In MACH ist der Finanzinvestor schon seit 2020 investiert. Im ersten Quartal 2025 soll mps organisatorisch und produktstrategisch tiefer integriert werden. Wie dies genau aussehen soll, planen die MACH-Verantwortlichen aktuell.
Neue Investoren bei Nextway und Kodak Alaris
Mit Nextway Software hat sich Main Capital Partners im Juli zudem ein ECM-Unternehmen an Bord geholt und hält dort eine Mehrheitsbeteiligung. Ziel ist, einen führenden europäischen Anbieter für geschäftskritische Enterprise Content Management (ECM) Lösungen aufzubauen.
Ein neuer Investor steht auch seit August hinter Kodak Alaris, das sich aus Kodak Moments und der Scanner-Sparte Kodak Alaris Business Unit zusammensetzt. Die kalifornische Private-Equity-Firma Kingswood Capital Management hat Kodak Alaris vom britischen Pension Protection Fund (PPF) übernommen. Im Tech-Bereich besitzt Kingswood bislang keine große Expertise. Dagegen verfügt es über Erfahrungen im Einzelhandel, was Kodak Moments als Anbieter von Fotoprodukten und -dienstleistungen zugutekommen könnte.
DocuWare übernimmt natif.ai
Zwei klassische ECM-Hersteller, die in Deutschland beheimatet sind, kauften 2024 ebenfalls zu. So übernahm die Ricoh-Tochter DocuWare im April den mit Hauptsitz in Saarbrücken befindlichen Softwarehersteller natif.ai. Das Unternehmen wurde 2019 gegründet und hat sich auf die praktische Anwendung von KI für die Automatisierung rund um Dokumente im Zusammenhang mit unterschiedlicher Software in diversen Unternehmensbereichen und Geschäftsprozessen spezialisiert. Basis der Angebote von natif.ai sind eigene KI-Modelle und eine selbst entwickelte Deep-OCR-Technologie. Damit verspricht der KI-Spezialist, Dokumente »extrem schnell und genau« analysieren sowie relevante Daten daraus extrahieren zu können. Bemerkbar macht sich die KI-Expertise von natif.ai inzwischen bei der Intelligent Document Processing (IDP) Lösung von DocuWare. Hiermit lassen sich Dokumente automatisch klassifizieren, Inhalte extrahieren und Dokumenten-Workflows automatisieren.
d.velop beteiligt sich an optiGov
Nicht das ganze Unternehmen, aber 25,1 Prozent sicherte sich Softwarehersteller d.velop am Anbieter für cloudbasierte Bürgerservices optiGov im Oktober. optiGov ermöglicht Kommunen digitale Verwaltungsleistungen, die im Zuge des Onlinezugangsgesetzes (OZG) in Deutschland gefordert sind. Geplant ist nun von beiden Seiten, die Portallösung von optiGov durch das digitale Archiv und darauf aufbauende dokumentenbasierte Prozesse von d.velop zu erweitern. Kommunen und öffentliche Institutionen sollen ihren Bürgerinnen und Bürgern damit ganzheitliche Services anbieten können – von der Authentifizierung über die interne Abwicklung in den Fachbereichen bis zur rechtlich konformen Zustellung von Dokumenten. Beispielsweise können so Prozesse wie die Beantragung von Bewohnerparkausweisen oder die Anmeldung von Hunden digitalisiert werden.
Weitere Artikel
Ausblick auf ECM-Themen 2025
Wenn es um Trendthemen für 2025 geht, beziehen sich viele Branchenexperten auf die E-Rechnungspflicht. Weitere Bereiche, die in den Vorhersagen eine Rolle spielen sind Künstliche Intelligenz sowie Datenschutz und Datensicherheit.
Technische Highlights 2024 aus dem ECM-Kosmos
Nicht nur, aber auch: KI hat viele der neuen Ankündigungen im ECM-Bereich 2024 bestimmt. Daneben sorgte die E-Rechnungspflicht für einen hohen Informations- und Handlungsbedarf und Neues gab es zudem bei Identitätsnachweisen und Cloud-Lösungen.