»Es gibt kaum vollwertige ECM-Cloud-Lösungen«
Jens Büscher, Geschäftsführer des ECM-Anbieters Amagno hält Deutschland für das perfekte Cloud-Land, auch wenn es hier – wie er im Interview mit ECMguide.de äußert – erst eine Hand voll ECM-Cloudanbieter mit vollwertigen Lösungen gibt. Während File Storage jeder könne, werde es bei Themen wie Workflow, Belegverarbeitung, Scanning und OCR spannend.
Archivierung und Collaboration sowie unternehmenstaugliche File-Sharing-Angebote dominieren das aktuelle ECM-Cloud-Angebot. Welche ECM-Funktionalitäten werden als nächstes kommen?
Büscher: Überhaupt erstmal ECM! ECM beschreibt eine umfassende Strategie. Die genannten Themen sind nur Teile. Es geht um umfassendes ECM in der Cloud mit zum Beispiel Email-Integration, Scanning, Messaging, etc. Davon gibt es bislang nur eine Hand voll ECM-Cloudanbieter – wie amagno. Wahres ECM in der Cloud ist also noch Zukunftsmusik. Insgesamt sehe ich drei unabhängige Trends. Erstens: File Sharing Lösungen wie Dropbox nähern sich den ECM-Themen. Zweitens: Die etablierten Anbieter nähern sich der Benutzerfreundlichkeit der File-Sharing-Lösungen. Drittens: Die Automatisierung der Dokumenterkennung (Dateien, Scans, Mails, Feeds) wird in beiden Lagern den künftigen Trend bestimmen.
Klassische ECM-Lösungen sind komplexe und tief integrierte Applikationen. Was wird im ECM-Bereich in der Cloud nie oder nur sehr schwer möglich sein?
Büscher: Ich persönlich halte die Komplexität und die tiefen Integrationen für einen Mythos aus dem »alten Markt«. Über eine Hotkey-Suche startet man ohne Plugins und Integrationen eine Suche aus jeder Anwendung heraus. Über Druckertreiber speichert man jede Druckausgabe parallel im DMS. E-Mails importieren Lösungen über moderne Standards wie IMAP über jegliche moderne Mailclients und Mailserver. Interaktion mit anderen Services via schlanker REST/JSON APIs – nur dies als Beispiele. Wir mussten bei über 100 Kunden und 7.000 Anwendern noch keine einzige tiefe Integration entwickeln. Ganz zur Freude der Kunden – und das als Cloud-ECM.
Worauf sollte ein Anwender bei der Auswahl von ECM-Cloud-Lösungen speziell achten?
Büscher: Erster Stichpunkt: Passend – die Anwender sollten sich die für sich passende Lösung auf Basis ihrer Anforderungen heraussuchen. Zweiter Stichpunkt: Unabhängig – der ECM-Anbieter muss es erlauben, die Daten jederzeit wieder exportierbar anzubieten (Export, API, etc). Insbesondere eine offene Schnittstelle für die Interaktion mit anderen Anwendungen, wie ERP, CRM etc. muss gewährleistet sein, beispielsweise über eine moderne REST/JSON API. Dritter Stichpunkt: Sicher – der ECM-Anbieter sollte eine umfassende Sicherheit seiner Lösung bieten. Ideal und oft Voraussetzung ist die Datenspeicherung auf Servern in Deutschland – was viele internationale File-Storage-Anbieter nicht bieten. Vorsicht: Auch die Datenkommunikation ist oft immer noch unverschlüsselt oder separat kostenpflichtig! Und vierter Stichpunkt: Investitionssicher – Die Anwender wünschen sich eine dauerhafte Ablage und nicht, dass der Anbieter seine Lösung nach ein bis zwei Jahren vom Markt nimmt. Dies ist insbesondere eine große Gefahr bei den modernen Startups mit geringem Durchhaltevermögen. Es kommt nicht selten vor, dass die Anbieter fast sofort ihre Leistungen einstellen.
Worin unterscheiden sich die verschiedenen ECM-Cloud-Lösungen, die es aktuell gibt?
Büscher: Wie erwähnt, es gibt kaum vollwertige ECM-Cloud-Lösungen. Die Unterschiede liegen in den Preisstrukturen und vor allem im Funktionsumfang. File Storage kann jeder, aber spannend wird es bei den Themen Workflow, Belegverarbeitung, Scanning und OCR, Email-Archivierung, Records-Management, Vorschau, Volltextsuche, Druckertreiber für Druckexport, Automatisierung der Belegerkenung, etc.
Wo liegen für Anwender die Vorteile für ECM-Lösungen aus der Cloud?
Büscher: Die Vorteile liegen im kostengünstigen Betrieb ohne eigenen Server mit überschaubarem Kostenmodell, in perfekter weltweiter Zusammenarbeit, in automatischen Backups, im Verzicht auf Kontrolle der Hardware ohne mühsame Internetkonfiguration wie Firewalls und Router.
Und wo liegen die Nachteile?
Büscher: Sie bestehen in oft langsamen Internetverbindungen in vielen Bereichen Deutschlands, weniger Kontrolle über wichtige Compliance-Parameter (Sicherheit) und weniger Freiheit bei Schnittstellen. Bekannte Plattformen sind attraktiver für Angriffe durch zum Beispiel Hacker, Sabotage oder Wirtschaftsspionage.
Welche besonderen Herausforderungen gibt es bei ECM-Cloud-Projekten?
Büscher: Wir sehen, dass Kunden für ECM in der Public Cloud sehr preissensibel sind. Entsprechend wenig tolerant ist man gegenüber der eigentlich notwenigen Beratung zur Lösung der Probleme. Das klassische umfassende Beratungsgeschäft des DMS/ECM-Marktes wirkt hier kaum mehr. Deswegen haben wir auch komplett neue passende Konzepte entwickelt, damit die Unternehmen trotzdem erfolgreich Ihre Herausforderungen bewältigen. Bei Amagno bedeutet dies beispielsweise, eine einzige vollständige Softwarelösung zur Reduktion des Integrationsaufwands, standardisierte einfache Schnittstellen und eine klare Bedienführung für die Anwender.
Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung und Nachfrage im ECM-Cloud-Bereich in Deutschland und auf internationaler Ebene?
Büscher: Auf internationaler Ebene ist die Akzeptanz der Cloud größer als in Deutschland – wobei auf Grund der rechtlichen Rahmenbedingungen Deutschland das perfekte »Cloud-Land« sein sollte. Wir sehen ein deutliches Wachstum von ECM in der Cloud, primär bei der Private Cloud. Die Nachfrage nach DMS/ECM hat sich 2014 bei uns verdoppelt, aber dies kann mehrere Ursachen haben, so dass eine Ableitung auf einen Markttrend nicht direkt möglich ist.
Warum betrachten Sie Deutschland als das perfekte Cloud-Land?
Büscher: Deutschland ist das perfekte Cloud-Land, weil die Gesetzgebung immer noch ausreichend die Unternehmensdaten beispielsweise in Rechenzentren vor Zugriff durch staatliche Institutionen (aus verschiedenen Gründen) sichern darf. Dies repräsentiert eine hohe Sicherheit der Unternehmenswerte. Eine »gefühlte« Willkür wie in den USA sehe ich in Deutschland in der Form nicht. Daher halte ich die Daten in Deutschland für sehr sicher.