Interview mit dem neuen Führungsduo von d.velop
Herr Evers und Herr Hehmann, wie lautet Ihr Fazit nach den ersten beiden Monaten in der Konstellation als Doppelspitze bei d.velop?
Evers: Die Zusammenarbeit funktioniert. Rainer und ich arbeiten schon lang eng und vertrauensvoll zusammen: Rainer auf der Entwicklungs- und Produktseite und ich im Vertrieb und Marketing. Uns verbinden viele gemeinsame Themen. Das ist notwendig, um die Markt- und die Produktsicht miteinander in Einklang zu bringen. Seit Mai hat sich daran nichts geändert und das freut uns natürlich sehr. Eine Zäsur brachte ein externes Ereignis, der Ukrainekrieg. Es sind Unsicherheiten entstanden, die nicht nur unseren geschäftlichen Alltag auf lange Zeit bestimmen werden. Zudem bleibt Corona ein zentrales Thema. Uns beschäftigt, wie wir es schaffen, den Übergang von einer restriktiven Remote-Situation zurück zu einer Präsenzkultur zu gestalten. Zudem kehren auch viele unserer Partner zu Präsenzveranstaltungen zurück. Wir möchten an möglichst vielen teilnehmen, um neue Ideen und Impulse zu erhalten und unsere Strategie zu erläutern. Der Kommunikationsbedarf in alle Richtungen ist gestiegen – sei es das Bedürfnis der Mitarbeitenden, dass wir ansprechbar sind, oder Gespräche mit zahlreichen Stakeholdern.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit in der Praxis aus?
Hehmann: Konstruktiv, vertrauensvoll und intensiv. Wir stehen im engen Austausch, stimmen uns regelmäßig ab und unterstützen uns gegenseitig, wo es geht. Dabei kommt uns zugute, dass wir ergänzende Interessen und Fähigkeiten über unsere ursprünglichen Verantwortungsbereiche hinaus haben. Sebastian ist gegenüber dem Produktmanagement affin. Ich leite seit vielen Jahren die Usergroup und bin mit unseren Kunden im engen Austausch. Für unsere Zusammenarbeit haben wir uns Rituale überlegt, wozu eine tägliche Abstimmungsrunde zählt. Die Teilnahme an Veranstaltungen teilen wir uns auf. Für uns ist es ein Vorteil, Entscheidungen gemeinsam zu treffen und Dinge nicht mit sich alleine ausmachen zu müssen, sondern zu zweit zu beraten und zu reflektieren.
Wie beeinflusst der Ukrainekrieg d.velop?
Hehmann: Auf der geschäftlichen Ebene hatten wir in der Ukraine und in Russland keine Lieferantenbeziehungen und damit auch keine direkten Umsatzauswirkungen. Jedoch zeigte sich rasch, wie das Thema die Belegschaft bewegt und Kommunikationsbedarf in viele Richtungen entsteht – sei es, um zu erfahren, wie man helfen kann oder wie der Krieg d.velop indirekt beeinflusst. Nach einer Art Schockzustand zu Beginn stellte sich in der Belegschaft schnell eine hohe Bereitschaft ein, humanitär unkompliziert zu helfen und beispielsweise Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Evers: Ergänzend ist zu sagen, dass es politisch früh Entscheidungen gab, bestimmte Organisationen zu sanktionieren, von denen wir einzelne im Kundenstamm hatten. Wir haben beschlossen, die Zusammenarbeit mit diesen nicht fortzusetzen. Daneben machten wir uns Gedanken, wie sich der Krieg auf die Investitionsfreudigkeit unserer Kunden auswirkt. Hier hatten wir im Bereich der verarbeitenden Industrie mit einer gewissen Zurückhaltung gerechnet, was aber bislang nicht der Fall ist.
Welche Regelungen haben Sie inzwischen aufgrund der Corona-Pandemie bezüglich der Präsenzpflicht der Mitarbeitenden im Unternehmen getroffen?
Evers: Wir haben bewusst keine Regelung getroffen und versuchen unsere Beschäftigten zu inspirieren, sich persönlich zu treffen und in den Austausch zu kommen. Beispielsweise gibt es eine neue Lounge, in der man mit Getränken und Grillmöglichkeiten den Übergang in den Feierabend gestalten kann. Außerdem finden Events statt, um Leute zusammenzubringen – selbstorganisiert und mit Unterstützung des Unternehmens. Im letzten Jahr haben wir während der Pandemie über 180 neue Mitarbeitende eingestellt, die viele bislang nur aus der virtuellen Umgebung kannten. Um sich auch mal im echten Leben zu begegnen, haben wir vor kurzem einen Club angemietet. Insgesamt gibt es den klaren Wunsch der Mitarbeitenden, sich wiederzusehen, wofür wir unter anderem verschiedene Betriebssportaktivitäten anbieten. Eine gute Balance zwischen Remote und Präsenz für das Wir-Gefühl, den Team-Gedanken und die Unternehmenskultur ist uns sehr wichtig.
Hehmann: Auf hohe Akzeptanz stoßen auch unsere neuen Offices an kleinen Standorten, die wir nun verstärkt aufbauen. Wir bieten beispielsweise interessante Locations wie die Hafengegend in Münster an. Mitarbeitende, die hier leben, müssen nicht weit zum Firmencampus fahren und finden trotzdem eine attraktive Arbeitsumgebung vor. Zudem lassen sich diese Standorte auch von Teams nutzen, um sich dort für Projektarbeiten zurückzuziehen.
Themen, die durch den Weggang Dönnebrinks entstanden
Ihr Vorgänger Mario Dönnebrink hatte ja auch den Vorstandsvorsitz inne. Wer übernimmt diesen Posten nun?
Evers: Die Aufgaben des CEO übernehmen wir beide als Team, wobei der Posten des Vorstandsvorsitzenden allerdings nicht formal neu besetzt wird. Das Aktienrecht bietet uns diese Möglichkeit und der Aufsichtsrat hat sich ausdrücklich für diese Lösung entschieden. Ein Vorstandsvorsitz ist also nicht erforderlich.
Nach dem überraschenden Aus von Mario Dönnebrink als CEO und Vorstandsvorsitzender bei d.velop wurde spekuliert, ob möglicherweise eine nahende Übernahme der Grund für den Schritt Ihres Vorgängers gewesen sein könnte. Können Sie hierzu etwas sagen?
Evers: Das können wir klar und eindeutig dementieren. Über 70 Prozent der Unternehmensanteile von d.velop werden von der Familie Pliete gehalten, die sich klar zur jetzigen Gesellschafterstruktur bekennt. Für Rainer und mich war es wichtig, dass wir die Vorstandsposten in einem Familienunternehmen ausüben können. Dies gibt uns die Möglichkeit, langfristig zu denken und zu handeln, vor allem was Investitionen und Innovationen angeht. Das bestätigt im Übrigen der Markt. Die starke Position der Gründerfamilie ist ein Alleinstellungsmerkmal, da die allermeisten Wettbewerber in der Hand von Private-Equity-Konglomeraten oder internationalen Konzernen sind. Da wir uns als Anbieter von Vertrauensdiensten in stark regulierten Bereichen wie dem Gesundheitssektor bewegen, ist der überschaubare und transparente Gesellschafterkreis ein großer Vorteil. Aus vielen Gesprächen wissen wir übrigens, dass dies von unseren Kunden genauso gesehen wird.
Sehen Sie Nachteile, wenn Fremdinvestoren mit an Bord sind?
Hehmann: Wir haben bei d.velop viel Personalaufwand in Kauf genommen, um eine mehrmandantenfähige Multitenancy-SaaS-Architektur zu schaffen. An zahlreichen Stellen setzte dies eine komplette technische Erneuerung voraus. In vielen Unternehmen, in denen Private Equity eine Rolle spielt, sehen wir, dass dies nicht passiert. Marketingtechnisch wird zwar suggeriert, man hätte eine Cloud-Lösung. Am Ende des Tages handelt es sich aber eher um eine gehostete On-Premises-Lösung. Mittel- bis langfristig ergibt sich daraus kein erfolgreiches Geschäftsmodell, da der Material- und Personalaufwand für eine gehostete Lösung um ein Vielfaches höher ist als bei einer wirklichen mehrmandantenfähigen SaaS-Architektur.
Dadurch, dass Ihnen die Cloud-Transformation so gut gelungen ist, gelten Sie aber gerade als attraktiver Übernahmekandidat.
Evers: Das freut uns natürlich, denn Attraktivität als Unternehmen in unserer Branche setzt voraus, dass man in der Vergangenheit viele Hebel erfolgreich richtig gestellt hat. Klar ist das Thema der wiederkehrenden SaaS-Erlöse spannend für Investoren. Wir haben uns aber schon vor Jahren für einen internen Family- and-Friends-Ansatz entschieden. Neben der Familie Pliete gehören mittlerweile rund 250 Mitarbeitende zum Aktionärskreis. Die verbleibenden Anteile werden von ausgewählten Investoren gehalten, die von unserer substanzorientierten Wachstumsstrategie überzeugt sind. Wir agieren aus einer Situation der Stärke heraus, da wir Wachstum und Profitabilität so ausbalancieren können, dass der langfristige Unternehmenswert im Mittelpunkt unserer Überlegungen steht. Die Innovationen, die wir kreieren, sind vollständig eigenfinanziert und die d.velop AG steht mit null Euro Verbindlichkeiten hervorragend da.
Weitere Produktstrategie von d.velop
Wie sieht die weitere Produktstrategie von d.velop aus?
Evers: Was Produktinnovationen angeht, passiert aktuell eine Menge auf der d.velop-Plattform. Wir haben uns schon vor einigen Jahren dazu entschieden, dass wir Produktinnovationen nicht nur selbst in einer Herstellerrolle kreieren, sondern auf Co-Produktion setzen und unabhängige Softwareunternehmen begeistern, auf der d.velop-Plattform buchbare komplementäre Produkte und Schnittstellen anzubieten. Hier erleben wir gerade eine große Dynamik und eine permanent steigende Nachfrage. Schon jetzt setzen mehrere Hundert Kunden auf die Apps der Plattform. Das Angebot wird ständig ausgebaut. Wir konnten in kürzester Zeit über 70 Produkte aus externer Hand auf der Plattform platzieren und haben eine Pipeline von weiteren 34 unabhängigen Softwareunternehmen, die sich im Onboarding als App Builder befinden und mit ihren Lösungen auf die Plattform kommen möchten. Darunter Konica Minolta mit Spezialschnittstellen, viele langjährige Partner aus dem ERP-Bereich und recht junge Unternehmen mit sehr spezifischen Lösungen – beispielsweise zu Vertrags-, Personal- und Reisekostenmanagement. Unsere Aufgabe ist, das Ökosystem für unsere App Builder bereitzustellen. Unsere dezidierten Teams unterstützen diese Partner, machen entsprechende Security-Tests und klären kaufmännische Prozesse ab, so dass für unsere Kunden ein relativ standardisierter Beschaffungsvorgang möglich ist. Solch eine Plattform-Ökonomie auf B2B-Software und Content Services zu übertragen, ist – wie uns auch Gartner bescheinigt – schon ein ganz besonderer Ansatz. Es ist kein Katalog, in dem wir nur etwas listen, sondern Kunden können in wenigen Minuten praktisch auf Knopfdruck aus einem Online-Store SaaS-Produkte beziehen und nutzen.
Hehmann: Unsere SaaS-Strategie beinhaltet, dass Unternehmen mit unserer SaaS-Lösung Erweiterungen und Anpassungen vornehmen können, um beispielsweise individuelle Prozesse zu optimieren. Dazu sind viele KMUs oft nicht in der Lage. Ihnen fehlen hierfür häufig das nötige Know-how sowie die finanziellen Mittel. Hier setzen wir an und befinden uns aktuell in der Umsetzung von mehr als 100 fein definierten, zu unterschiedlichsten Branchen passenden Vorab-Konfigurationen mit entsprechenden Dokument-Definitionen, typischen Integrationen in Branchensoftware und bestimmten Workflows direkt als Produktausprägungen. Damit können Betriebe ohne eigene IT wie zum Beispiel Kfz-Werkstätten direkt anfangen, mit vorkonfigurierten digitalen Akten und Integrationen zu arbeiten.
Woran arbeitet d.velop sonst noch?
Hehmann: Wir beschäftigen uns seit Jahren intensiv mit intelligenten Update-Funktionen, damit Kunden nicht bemerken, wie sich die Software im Hintergrund erneuert, sie dann aber automatisch und topaktuell neue Technologien und Ansätze nutzen können. So stellen wir über unsere Plattform sehr verlässliche und dauerhafte Beziehungen zu den Kunden her. Im letzten Jahr lag unser Fokus auch darauf, wie der Wechsel von On-Premises-Anwendungen Richtung Cloud durch spezielle Werkzeuge und Ansätze einfach gelingen kann, was sich in diesem Jahr auszahlt. Bestandskunden wechseln im großen Stil von On Premises in die Cloud. Zudem fangen wir gezielt damit an, Kunden mit Lösungen anderer Hersteller anzusprechen und eine Migration auf unsere moderne Plattform anzubieten. Unterstützt werden diese Migrationen von Partnern in unserem Ökosystem, die sich mit verschiedensten Systemen anderer Anbieter auskennen.
Evers: Viele Unternehmen befassen sich gerade sehr intensiv mit dem Wechsel der Bereitstellungsformen. In allen Branchen sehen wir, dass sich die IT technologisch radikal erneuert. Um ein Beispiel herauszugreifen: Schmitz Cargobull hat sich entschieden, kein eigenes Data-Center mehr zu betreiben. Innerhalb von Monaten wechselte das Unternehmen bei ERP- und ECM-Software sowie weiteren Bereichen, wo es möglich war, Richtung cloudbasierter Lösungen sowie Managed Services. In diesem Zuge wurden in kürzester Zeit rund 60 Millionen Dokumente in die d.velop-Cloud migriert. Wie Schmitz Cargobull wollen immer weniger Unternehmen den Basis-IT-Betrieb mit Security, Patches und Update-Projekten selbst noch aufrechterhalten. In derartigen Fällen ist oft eine Migration sinnvoll.
In welchen Bereichen beobachten Sie abgesehen vom Migrationsthema eine erhöhte Nachfrage?
Hehmann: Derzeit beschäftigen wir uns stark mit Hyper-Automation und Integrationen über Power-Automate. Wir entwickeln vereinfachte Ansätze zur eigenen Workflow-Erstellung von typischen Büroprozessen. In der Praxis zeigt sich, dass weniger sehr große Workflow-Prozesse gefragt sind, sondern vielmehr einfache Automatisierungsansätze.
Evers: Wenn es darum geht, welche Produkte sehr stark wachsen, ist das Thema elektronische Signatur weit vorne. Unsere Lösung »d.velop sign« belegt nach dem Klassiker Dokumentenmanagement Platz zwei der SaaS-Produkte. Mit unserer Signaturlösung lösen wir immer öfter einen bekannten amerikanischen Anbieter ab. Generell sind Signaturlösungen durch die Pandemie und die Home-Office-Situation mit der Notwendigkeit, Verträge remote zu unterzeichnen, stark nachgefragt. Ein weiteres Thema, in das wir viel investiert haben, ist der Sozial- und Pflegebereich, wo viele Mitarbeitende keinen Zugriff auf einen PC besitzen. Hier haben wir mit »d.velop community connect« eine mobile App entwickelt, die Mitarbeitenden per Smartphone beispielsweise Einsicht in die digitale Klientenakte gibt, was in der Pflege eine wichtige Rolle spielt. Zudem ermöglicht die Lösung, die unter anderem die Stiftung Liebenau verwendet, Intranet-News zu kommunizieren, klassische DMS-Funktionen wie Urlaubsanträge und Investitionsanträge zu nutzen oder den Mitarbeitenden die Gehaltsabrechnung digital zuzustellen.
Was machen Sie, wenn es mehrere SaaS-Lösungsangebote für Ihren Marktplatz zum gleichen Thema gibt?
Evers: Wie auf einem Marktplatz üblich, sollte sich das beste Angebot beziehungsweise das beste Produkt durchsetzen. Wettbewerb ist aus unserer Sicht sinnvoll und gewollt. Beispielsweise haben wir drei Eingangsrechnungslösungen auf unserer Plattform, zwei oder drei Vertragsmanagementlösungen. Im Bereich Signatur gibt es ebenfalls verschiedene Ansätze.
Und was, wenn Sie in einen spezifischen Markt wollen, wo es noch nichts gibt?
Hehmann: Das ist ein Thema, mit dem wir uns gerade intensiv beschäftigen. Wir wollen die Bedarfe unserer Kunden frühzeitiger erkennen und abdecken. Ein zentraler Hebel dazu ist eine direkte und gezielte Kommunikation in Richtung unserer Partner: Wer kennt sich mit Branche XY gut aus und wer könnte eine Integration zu System Z liefern? Wir werden dieses Thema in Zukunft umfassender aktiv angehen und Unternehmen frühzeitig die Möglichkeiten geben, darauf zu reagieren und sich aktiv einzubringen. Dabei setzen wir auf eine gerichtete Unterstützung und eine klarere Kommunikation, die das Business Development vorantreiben.
Vielen Dank für dieses Gespräch!