Interview mit Mario Dönnebrink von Dvelop zum ECM-Geschehen

Mario Dönnebrink verantwortet als CEO seit 2012 das operative Geschäft von Dvelop (Bild: Dvelop)

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Mario Dönnebrink verantwortet als CEO seit 2012 das operative Geschäft von Dvelop (Bild: Dvelop)

In welchen Produktbereichen und geografischen Regionen erzielte d.velop 2020 die besten Ergebnisse?

Dönnebrink: 2020 war für uns wieder ein sehr gutes Jahr. So konnten wir beispielsweise mehr als 2.000 Neukunden gewinnen. Unsere Gesamtkundenzahl ist damit auf über 12.000 gestiegen. So ein deutlicher Zuwachs schlägt sich dann natürlich auch in Umsatz und Ergebnis nieder. Im Produktbereich sticht das überdurchschnittlich starke Wachstum des Cloud-Geschäfts hervor, mehr als 32 Millionen Euro unseres Gesamtumsatzes von 75 Millionen Euro in der d.velop Gruppe stammen aus den dortigen wiederkehrenden Erlösen. Geografisch hatten wir unseren Umsatz-Schwerpunkt zwar weiterhin im deutschsprachigen und europäischen Raum. Unsere strategischen Maßnahmen zielen jedoch sehr klar auf ein zunehmend internationales Geschäft ab. Nach London befindet sich seit einigen Monaten in Hongkong eine weitere Auslandsniederlassung. Gerade die Flexibilität der »d.velop platform« bietet für einen internationalen Ansatz hervorragendes Potenzial.

Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf den ECM-Markt und Dvelop?

Dönnebrink: Der mit der Pandemie verbundene Digitalisierungsschub schlägt auf die Bereiche durch, die sich um die Digitalisierung von Geschäftsprozessen kümmern. Ein Beispiel: Die in fast allen Organisationen immer noch anzutreffenden Medienbrüche mit ihren aufwändigen manuellen Abläufen kristallisieren sich vielfach aufgrund der Home-Office-Situation als Problem heraus. ECM-Lösungen schaffen diese Probleme aus der Welt. Nicht alle IT-Unternehmen und Anbieter aus der ECM-Branche konnten gleichermaßen von diesem Schub profitieren. Im Gegensatz zu uns: Unsere Unternehmensergebnisse sind noch besser als vor Corona geplant. Die Gründe dafür sind vielfältig. So gab es eine hohe Nachfrage durch Nachholbedarf und neue Priorisierungen in Digitalisierungsprojekten. Auch bei den Kostenpositionen gibt es vorteilhafte Entwicklungen, wie zum Beispiel bei den gesunkenen Reisekosten. Denn vieles, was vor der Pandemie beim Kunden vor Ort erledigt wurde, machen wir heute remote. Und die dabei gesparte Zeit lässt sich effektiv für andere Projekte nutzen. So sind auch unsere Umsatzerlöse für Dienstleistungen 2020 signifikant gestiegen.

Nach welchen Produkten gibt es aktuell die meiste Nachfrage?

Dönnebrink: Am stärksten ist zweifellos die Nachfrage nach »d.velop documents« als Basis für den Umgang mit digitalen Dokumenten und darauf aufbauender Prozessautomation – aber auch nach komplementären Produkten wie »d.velop sign«, unserer Lösung für die bei Bedarf rechtssichere, qualifizierte elektronische Signatur oder »d.velop documents light« für den Dokumentenaustausch über Unternehmensgrenzen hinweg, teils bis hin zum Consumer. Bei klassischen ECM-Lösungen sind es eher die komplementären Produkte, wie zum Beispiel die digitale Eingangsrechnungsverarbeitung oder die digitale Personalakte. Aber auch Dienstleistungen rund um die Themen Prozessoptimierung und Workflowmanagement werden stark nachgefragt.

Welche Projekte werden derzeit am häufigsten durchgeführt?

Dönnebrink: Cloud-Migrationen werden verstärkt angefragt. Häufig schaffen Kunden zunächst die Basis für darauf aufbauende digitale Workflows. So stoßen standardisierte, grundlegende Dokumentenmanagement-Projekte wie Dvelop Documents im hybriden Betrieb auf besonders großes Interesse. Hybrid deshalb, weil sensible Daten oft lokal gespeichert werden sollen oder in sensiblen Branchen sogar gespeichert werden müssen. Gleichzeitig möchte man auch dort von den Vorteilen einer SaaS-Lösung profitieren.

Welche Haupt-Trends bestimmen aktuell das ECM-Geschehen insgesamt?

Dönnebrink: Neben gesellschaftlichen und technologischen Megatrends beeinflussen vor allem fünf Kerntreiber den Markt für Business Software immens, die wir in unserer jährlichen Herbstprognose veröffentlicht haben. Dies sind die Themen Sicherheit, Compliance und Verantwortung; Plattformökonomie; Konnektivität und New Work; Wissenskultur und Wissensmanagement sowie Individualisierung. Im Zusammenspiel dieser Trends ergibt sich ein umfangreiches Herausforderungsprofil für Anbieter, die zukünftig in sich immer schneller wandelnden Märkten weiterhin wettbewerbsfähig bleiben wollen.

Wie kann ECM-Technologie diese Themen bedienen?

Dönnebrink: Wissens- und datenbasierte Unternehmensprozesse zu digitalisieren, ist und bleibt ein Kernpfeiler des ECM-Marktes, um aus Daten Mehrwerte für Unternehmen zu schaffen. Dabei spielen vor allem vor dem Hintergrund zunehmender Vernetzung die einfache Bereitstellung und der bequeme Bezug von Lösungen eine große Rolle. Die Corona-Pandemie hat die Veränderung hin zum Digital Workplace lediglich beschleunigt. Es gilt also, digitale Werkzeuge für eine sich wandelnde Arbeitswelt anzubieten und einfach verfügbar zu machen. Dies funktioniert unserer Überzeugung nach nur mithilfe einer Plattformökonomie.

Gibt es auch Auswirkungen bei der praktischen Umsetzung?

Dönnebrink: Wir bemerken schon lange einen deutlichen Trend weg vom klassischen Projektgeschäft für große Individualprojekte hin zu einer ganzheitlichen Sicht auf die Unternehmensprozesse und zu komplementären, modularen und standardisierten Angeboten. Cloudlösungen auf der Dvelop Platform geben uns die Möglichkeit, wirklich in allen Bereichen einer Organisation vom Einkauf über die Buchhaltung bis in das Personalwesen Abläufe zu optimieren, sowie die Grenzen der Organisation zu überwinden.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht die ECM-Anbieterlandschaft im vergangenen Jahr entwickelt?

Dönnebrink: Im Zuge der dynamischen Entwicklung des Gesamtmarkts waren einige Anbieter tatsächlich von einer Marktkonsolidierung betroffen. Gleichzeitig sehen wir immer neue, häufig sehr kleine, Anbieter, die auf einem ganz bestimmten Gebiet hervorragende Spezialisten sind. An der Offenheit oder Integrationsfähigkeit für ergänzende Themen mangelt es diesen dann aber oft, sodass weitergehende Prozessdigitalisierungen vor allem im Enterprise-Umfeld mit ihnen schwierig sind.

Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung bezüglich der Anbieterlandschaft ein?

Dönnebrink: Für Hersteller wie Dvelop sind die Aussichten unverändert gut – sehr gut sogar. Dies betrifft jene, die wie wir mit einem recht breiten Portfolio am Markt sind und darüber hinaus mithilfe der Plattformökonomie komplementäre Fremdprodukte sehr einfach integrieren können. Darum kooperieren viele mit Spezialanbietern und können sich damit von monolithisch geprägten Stand-Alone-Lösungen absetzen. Anbieter, die dieser Herausforderung in zunehmend komplexen Märkten jedoch nicht gewachsen sind, werden über kurz oder lang keine Chance mehr haben. Auch der Wettbewerbsdruck gerade im Bereich der hochspezialisierten Nischenanbieter ist natürlich hoch. Aber nur nachhaltig und zukunftsorientiert aufgestellte Anbieter bieten ihren Kunden auch langfristig Investitionssicherheit.

Wo setzt d.velop in den kommenden zwölf Monaten seine Schwerpunkte?

Dönnebrink: Wir bleiben konsequent auf dem erfolgreich etablierten Kurs. Unser SaaS-Angebot und die Dvelop Platform werden neben dem weiterhin erfolgreichen klassischen Geschäft weiter ausgebaut. Immer mehr App-Builder sorgen dafür, dass die dort verfügbare Zahl an standardisierten Fach- und Branchen-Apps immer größer wird. Einfach zu nutzende, direkt buchbare Cloud-Services und Business Apps von der Plattform sind auch eine gute Möglichkeit für Kunden, um schnell in das ECM-Thema einzusteigen und die genutzten Produkte später möglicherweise schrittweise auszubauen. Dank des komplementären Ansatzes der Apps auf der Plattform und ihrer Interoperabilität ist dies problemlos möglich. Die einfache Bereitstellung unterstützt zudem unsere strategischen Expansionspläne in Richtung USA und der asiatischen Länder.

Microsoft wird im Gartner Magic Quadrant for Content Services Platforms, der bis vor wenigen Jahren noch als ECM Magic Quadrant bezeichnet wurde, als marktführender Anbieter aufgelistet. Erst dahinter folgen CSP- beziehungsweise ECM-Spezialisten wie Hyland und Opentext. Können Sie die Einschätzung Gartners teilen?

Dönnebrink: Nur in Hinblick auf die Einschränkungen, die Gartner selbst formuliert. Die Content Services von Microsoft sind keine klassische, komplette ECM-Plattform. Es ist allerdings eine sehr gute Basistechnologie für Unternehmen, die strategisch auf Microsoft gesetzt haben. Fach- und branchenspezifische Lösungen für ihre konkreten Anforderungen finden sie dort jedoch nicht. Das ist aber auch gar nicht das Ziel von Microsoft. Der Dreh- und Angelpunkt für die Bereitstellung der fehlenden digitalen Fachverfahren und Lösungen ist das Microsoft-Partnerprogramm. Dieses unterstützt andere Anbieter bei der Entwicklung von Zusatzlösungen für die Basistechnologie von Microsoft. Wir selber sind als eines der wenigen deutschen Unternehmen »Charter Member« im Microsoft Content Services Partner Programm und schon frühzeitig in neue Entwicklungen bei Microsoft eingebunden, um direkt passende ECM-Funktionalitäten entwickeln zu können, die das Microsoft-Angebot sinnvoll ergänzen und veredeln.

Sehen Sie Microsoft im ECM-Bereich, in dem es mit »SharePoint« und diversen Funktionen von »Microsoft 365« vertreten ist, als Konkurrenten oder kann Dvelop mit seinen ergänzenden Produkten sogar von der Position Microsofts profitieren?

Dönnebrink: Wir betrachten das – und die Nähe zur Microsoft-Entwicklung – wie gesagt als Chance und entwickeln konsequent einfach zu nutzende Apps sowie fach- und branchenspezifische Lösungen für strategische Microsoft-Anwender. So bieten wir beispielsweise Lösungen für die Erfassung, Prüfung und Freigabe von Eingangsrechnungen auf Basis von Microsoft 365, eine Vertragsverwaltung auf Basis von Sharepoint und mit »d.velop documents for Microsoft 365« ein komplettes, professionelles ECM. All diese Angebote sind tief in die Microsoft-Welt integriert, sodass sie mit Microsoft-Bordmitteln an die spezifischen Bedürfnisse eines Anwenders angepasst werden können.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.