Interview mit Hermann Schäfer, DocuWare, zu E-Rechnungen
Mit der Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes ist nun auch die Einführung der E-Rechnungspflicht im Unternehmensumfeld ab 1. Januar 2025 beschlossen. Rechnen Sie dadurch mit einer erhöhten Nachfrage nach E-Rechnungslösungen oder sind Unternehmen sowieso schon mit entsprechenden Lösungen eingedeckt?
Schäfer: Ja, ich rechne durchaus mit einer wachsenden Nachfrage. Die 2023 von Bitkom e. V. veröffentlichten Studienergebnisse zeigen, dass Unternehmen noch Aufholbedarf in Sachen E-Rechnung haben. Zwar hat sich in den vergangenen Jahren bereits einiges getan, doch längst nicht alle sind auf dem Empfang der elektronischen Rechnung im strukturierten Format vorbereitet. Als besondere Herausforderung für Unternehmen sehen wir bei DocuWare, dass viele Arten von Eingangsrechnungen empfangen und verarbeitet werden müssen, ob auf Papier, als PDF im E-Mail-Anhang oder eben die nun strukturierten E-Rechnungen. Im Anschluss daran müssen Unternehmen diese außerdem GoBD-konform archivieren. Elektronische Rechnungen müssen dabei genau in dem Format archiviert werden, in dem sie empfangen wurden – einfach ausdrucken und in einem Aktenordner ablegen ist nicht möglich. Für geschäftliche elektronische Dokumente schreiben die GoBD eine Revisionssicherheit vor, das heißt, sie müssen unveränderbar, nachvollziehbar, vollständig, richtig und verfügbar archiviert werden. Das bezieht sich als Schutz vor Verfälschung auf alle Änderungen am Dokument. Dazu kommt, dass sie die Dokumente gegen Verlust sichern müssen. Gleichzeitig ist es jedoch erlaubt, Rechnungen auf Papier zu digitalisieren und entsprechend zu archivieren. All das und vieles mehr leistet nur ein modernes Dokumentenmanagement. Damit Finanzteams bei den unterschiedlichen Formaten und Compliance-Anforderungen nicht den Überblick verlieren und die Betriebsprüfung auch in Zukunft stressfrei verläuft, sollten sie also auf ein System setzten, in dem alle Formate die gleichen Workflows durchlaufen und langfristig gespeichert werden können.
Rechnen Sie mit anderen Auswirkungen im E-Rechnungsbereich durch das verabschiedete Gesetz?
Schäfer: Das verabschiedete Gesetz sorgt auch dafür, dass sich die Unternehmen auf das E-Reporting, also die elektronische Berichterstattung in Echtzeit an die Finanzbehörden, vorbereiten können und müssen. Die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten hat bereits eine Variante der elektronischen Rechnungsberichterstattung eingeführt, insgesamt ist die Implementierung des E-Reportings bis 2028 geplant.
Schwierig dürfte es auch für Anbieter und Kunden werden, die OCR-fokussierte Lösungen im Rechnungsbereich einsetzen?
Schäfer: Im Rechnungsbereich wird sich deren Marktsegment sicher verkleinern. Jedoch wird es durch die mehrstufige Einführung der E-Rechnung im strukturierten Format bis Ende 2027 weiterhin Rechnungen und Dokumente im einfachen PDF-Format oder auf Papier geben. In DocuWare wird bei dem Workflow unterschiedlicher Rechnungsformate wie folgt unterschieden:
- Bei einem einfachen PDF-Format wird die Rechnung in DocuWare mithilfe einer OCR und KI ausgelesen, verarbeitet und daraufhin abgelegt.
- Wenn in DocuWare hingegen eine XRechnung, also eine elektronische Rechnung im XML-Format abgelegt wird, dann werden die Daten automatisch extrahiert und entsprechend weiterverarbeitet. Hier braucht es keine OCR mehr.
Rein OCR-basierte Lösungen im Rechnungsbereich sind somit sicherlich nicht mehr zukunftsfähig. OCR sollte jedoch weiterhin Teil einer vollumfänglichen Lösung im Rechnungsbereich sein, um auch andere Dokumente wie beispielsweise Lieferscheine im automatisierten Rechnungsprüfungsprozess einbeziehen und weiterverarbeiten zu können.
Trotz der Harmonisierungsbemühungen innerhalb der EU bestehen nach wie vor Unterschiede in den gesetzlichen Anforderungen zwischen verschiedenen Ländern.
Behörden und Unternehmen der öffentlichen Hand sind bereits seit 2020 verpflichtet, elektronische Rechnungen anzunehmen. In vielen Bundesländern müssen Unternehmen die Rechnungen ebenfalls elektronisch stellen. Auch international besteht im B2B-Bereich in vielen Ländern ein verpflichtender elektronischer Rechnungsaustausch. Sind die meisten Unternehmen daher eh schon gut auf die E-Rechnungspflicht vorbereitet?
Schäfer: Große Unternehmen gehören definitiv zu den Vorreitern des elektronischen Rechnungsaustauschs. Das bestätigen auch die Studienergebnisse von Bitkom e. V. Diese zeigen, dass 90 Prozent der Unternehmen mit 500 oder mehr Mitarbeitenden grundsätzlich schon Rechnungen mit EDI oder im ZUGFeRD- oder XRechnung-Format erstellen. Der interessante Punkt dabei ist jedoch, dass die meisten Unternehmen EDI einsetzen. Welche Rolle EDI allerdings in Zukunft beim E-Rechnungsaustausch einnehmen wird, ist nicht hundertprozentig klar. Auch beim PEPPOL-Netzwerk beobachten wir sehr genau, wie sich dessen Stellenwert entwickelt. Zu beiden Bereichen planen wir bei DocuWare unseren Interessenten und Kunden passende und rechtskonforme Lösungen anzubieten.
Was können Unternehmen von der E-Rechnungspflicht im öffentlichen Bereich lernen?
Schäfer: Durch die vorgelagerte E-Rechnungspflicht bei der öffentlichen Hand gibt es in diesem Bereich schon viele Best Practices und zahlreiche Unternehmen mussten sich gezwungenermaßen mit dem E-Rechnungsaustausch auseinandersetzen. Das hat zumindest in manchen Branchen dazu geführt, dass ein grundlegendes Verständnis für das Thema und eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut wurde. Jetzt geht es darum, dass alle Unternehmen ihre Beschaffungs- und Rechnungsprozesse sowie deren Digitalisierung und Automatisierung in den Blick nehmen.
Wo liegen die größten Herausforderungen für Anwender bei Projekten im Bereich automatisierte Rechnungs- und P2P-Prozesse?
Schäfer: Eine Herausforderung liegt in den technischen Anforderungen. Die Umstellung auf strukturierte elektronische Rechnungsformate erfordert oft eine Anpassung der vorhandenen Systeme und Prozesse. Dabei ist entscheidend, dass Unternehmen zusätzlich zu den strukturierten XML-Formaten weiterhin auch Papier- und einfache PDF-Rechnungen empfangen und korrekt verarbeiten können müssen. DocuWare und ähnliche Lösungen spielen hier eine wichtige Rolle. Durch ihre Funktionalitäten ermöglichen sie es Unternehmen, alle Rechnungsarten effizient zu verarbeiten und die notwendigen Daten auszulesen. Im besten Fall unterscheidet sich die weitere Handhabung der Rechnungen für Anwenderinnen und Anwender nicht. Alle Rechnungsformate können im gleichen Programm angezeigt werden und den Freigabe- und Buchungsworkflow durchlaufen. So werden Unternehmen und deren Mitarbeitende befähigt, den Übergang zu digitalen Prozessen erfolgreich zu meistern und gleichzeitig die Anforderungen der neuen, strukturierten Rechnungsformate zu erfüllen.
Im globalen Umfeld liegt eine der zentralen Herausforderungen im internationalen Rechnungsaustausch. Trotz der Harmonisierungsbemühungen innerhalb der EU bestehen nach wie vor Unterschiede in den gesetzlichen Anforderungen zwischen verschiedenen Ländern. Unternehmen, die global tätig sind, müssen sicherstellen, dass sie die jeweiligen Vorschriften einhalten, was zusätzlichen Aufwand bedeutet.
Welche Trends und Entwicklungen finden Sie in diesem Bereich gerade besonders spannend?
Schäfer: Ein spannender Trend ist die Automatisierung und maschinelle Verarbeitung von Rechnungen im strukturierten Datenformat. Früher musste die Interpretation und der Abgleich von Dokumenten manuell durchgeführt werden, was fehleranfällig und zeitaufwändig war. Durch die Einführung strukturierter elektronischer Rechnungen können diese Prozesse automatisiert, und damit eine höhere Genauigkeit, Geschwindigkeit und Effizienz erreicht werden.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Entwicklung des E-Reportings in Deutschland, das heißt für welches Modell sich Deutschland entscheiden wird und welche Auswirkungen dies auf Unternehmen und Behörden haben wird. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie andere europäische Länder, die auch noch kein solches Modell haben, ihre elektronische Rechnungslandschaft gestalten werden. Die Harmonisierung und Standardisierung auf europäischer Ebene werden eine wichtige Rolle spielen, um die Effizienz und Interoperabilität in grenzüberschreitenden Geschäften zu verbessern.
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