Stand der Digitalisierung und Digitalisierungs-Pläne im Handwerk

Creditreform verarbeitet Eingangsrechnungen automatisiert mit ELO-Lösungen (Bild: Creditreform) Creditreform verarbeitet Eingangsrechnungen automatisiert mit ELO-Lösungen (Bild: Creditreform)

»Mir liegt die Handwerksbranche sehr am Herzen und ich möchte einen Teil dazu beitragen, der Branche die Furcht vor dem Schreckgespenst Digitalisierung zu nehmen«, sagt Dotsource-Gründer und -Geschäftsführer Christian Otto Grötsch. (Bild: Dotscource)

ECC Köln (Teil des IFH Köln – Institut für Handelsforschung Köln) und die Digitalagentur dotSource haben gemeinsam eine Studie mit dem Titel »Wie tickt das deutsche Handwerk in Zeiten der Digitalisierung« vorgelegt. Ziel war es herauszufinden, wo das deutsche Handwerk Beratungs- und Handlungsbedarf beim Thema Digitalisierung hat.

Dazu befragte das ECC in einer Onlinebefragung circa 350 Personen aus Handwerksbetrieben unterschiedlicher Gewerke und Firmengrößen. Die in drei Teile gegliederte Studie zeigt, dass das Handwerk in Sachen Digitalisierung noch in den Startlöchern steckt. Je größer der Betrieb, desto eher werden Digitalisierungsmaßnahmen vorangetrieben.

Insgesamt wird dem Thema Digitalisierung jedoch eher niedrigere Priorität zugeschrieben. Bessere und effizientere Arbeitsbedingungen sehen die Befragten aber durchaus als sinnvolle Maßnahme, um bei potenziellen Fachkräften zu punkten. Dazu sollen etwa Bürotätigkeiten digitalisiert und analoge Vorgehensweisen durch digitale Prozesse, Kanäle und Denkweisen ersetzen werden. Zwar herrscht vielfach Skepsis gegenüber neuen Technologien. Dennoch planen die Befragten durchaus, zahlreiche Prozesse zu digitalisieren.

Viele »haben besseres zu tun«

Die Digitalisierung im Handwerk befindet sich häufig noch im Anfangsstadium. Größere Betriebe sind tendenziell besser aufgestellt. (Grafik: ECC Köln)

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Die Digitalisierung im Handwerk befindet sich häufig noch im Anfangsstadium. Größere Betriebe sind tendenziell besser aufgestellt. (Grafik: ECC Köln)

Allerdings ist der Druck nicht besonders hoch: 89 Prozent der Befragten berichten von einer guten oder sehr guten Auftragslage. Auch bei der Akquise läuft viel wie von selbst. Am häufigsten kommen die Befragten über bestehende Kundenbeziehungen (77 Prozent) durch Empfehlung von Kunden (73 Prozent) oder durch Empfehlung von Familienangehörigen, Freunden und Bekannten (52 Prozent) und Empfehlung von anderen Handwerkern (44 Prozent) an ihre Aufträge.

Digitale Wege wie eine eigene Webseite (28 Prozent), Social-Media-Auftritte (15 Prozent) oder Vermittlungsplattformen (11 Prozent) spielen dagegen eine untergeordnete Rolle.

Digitalisierung hat geringe Priorität

Nur 5 Prozent der  Befragten sehen Digitalisierung als eine der drei größten Herausforderungen für ihren Betrieb in den kommenden beiden Jahren. Die Liste dominieren aktuell hohe Materialkosten (65 Prozent), steigende Nebenkosten für Strom, Gas und Sprit (64 Prozent) sowie Lieferengpässe (39 Prozent) und Personal- beziehungsweise Fachkräftemangel (34 Prozent).

57 Prozent aller befragten Handwerker sind deshalb der Meinung, dass Digitalisierungsvorhaben hinter der gute Auftragslage und dem aktuell hohen Arbeitspensum zurückstehen müssen. Lediglich bei Firmen mit mehr als 50 Beschäftigten ist das Thema angekommen: In dieser Gruppe hat Digitalisierung für 74 Prozent »höchste Priorität und wird aktiv« vorangetrieben.

Als Gründe, sich nicht mit der Digitalisierung ihres Betriebs zu beschäftigen, nennen 38 Prozent aller Befragten die hohen Kosten. Ebenso viele sehen keinen Mehrwert für ihren Betrieb. Zu den weiteren Hürden gehören Sorge um die IT-Sicherheit (26 Prozent), fehlende Kompetenzen (23 Prozent) und fehlende Akzeptanz bei den Beschäftigten (21 Prozent).

Wo Digitalisierung im Handwerk schon Alltag ist

Diese Bereiche wollen Handwerksbetriebe in den nächsten Jahren digitalisieren. (Grafik: ECC Köln)

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Diese Bereiche wollen Handwerksbetriebe in den nächsten Jahren digitalisieren. (Grafik: ECC Köln)

Am weitesten fortgeschritten ist die Digitalisierung unabhängig von der Größe der Handwerksbetriebe bei der Eingangsrechnungsverarbeitung und der Rechnungsstellung (Ausgangsrechnungen) sowie bei Auftragserfassung und Angebotserstellung. In diesen Punkten arbeiten jeweils deutlich weniger als 20 Prozent oder sogar fast keine der befragten Firmen mehr analog. Interessanterweise sind das auch genau die Aspekte, bei denen Unternehmen mit weniger als fünf Beschäftigten bessere Werte erreichen als solche mit mehr als 50.

Dafür ist bei Kleinunternehmen vor allem im Bereich der Personalplanung  analog noch gang und gäbe: Zeiterfassung und Stundenbuchung, Krankmeldungen und Krankheitsübersicht sowie Urlaubsplanung und Fahrtenbuch sind zu 35 bis 65 Prozent analog. Ähnlich sieht es bei Projektkalkulation, Projektkoordination und Management von Lagerbeständen aus.

Betrieb mit mehr als 50 Beschäftigten als Schrittmacher

Der Einsatz digitaler Tools könnte aus Sicht der befragten Handwerker den Beschaffungsprozess optimieren. Vor allem Jüngere und Befragte aus größeren Unternehmen sehen hier Potenziale. (Grafik: ECC Köln)

Der Einsatz digitaler Tools könnte aus Sicht der befragten Handwerker den Beschaffungsprozess optimieren. Vor allem Jüngere und Befragte aus größeren Unternehmen sehen hier Potenziale. (Grafik: ECC Köln)

Bei den Digitalisierungsvorhaben in den nächsten zwei Jahren stehen im Wesentlichen die Bereiche vorne, die heute schon in Angriff genommen wurden. Bei Buchhaltung und Finanzen sowie Prozessen mit Lieferanten etwa wollen kleine Handwerksbetriebe zu den großen aufschließen.

Große (mit mehr als 50 Beschäftigten) planen vor allem die interne Betriebsorganisation sowie die Personalplanung durch digitale Prozesse zu verbessern. Außerdem haben sie die Bedeutung von Datenschutz und Systemsicherheit erkannt, wollen ihre digitale Sichtbarkeit erhöhen und in IT-Infrastruktur – etwa Laptops oder Smartphones sowie Cloud-Angebote – investieren.

Impulsgesteuerte und taktische Digitalisierung

»Ich bin in einem Glaserbetrieb aufgewachsen«, erklärt Dotsource-Gründer und -Geschäftsführer Christian Otto Grötsch. »Mein Urgroßvater hat die Firma gegründet und seither ist sie in Familienhand. Da wird sie auch bleiben, denn aktuell leitet sie mein Bruder und nach ihm, wird sie mein Neffe weiterführen.«

Aufgrund dieses persönlichen Bezugs kennt Grötsch die Ängste und Bedenken und weiß, welche Hürden in den Köpfen vorhanden sind. Er weiß auch aus erster Hand, dass die Digitalisierung in der Handwerksbranche oft impulsgesteuert und taktisch vorangetrieben wird. »Mir liegt die Handwerksbranche sehr am Herzen und ich möchte einen Teil dazu beitragen, der Branche die Furcht vor dem Schreckgespenst Digitalisierung zu nehmen«, begründet Grötsch die Mitarbeit seiner Digitalagentur an der Studie.

Die Studie mit den drei Schwerpunkt-Themen »Status Quo«, »Generationswechsel« und »Beschaffungsprozesse« kann im Shop auf der Webseite des ECC Köln kostenfrei heruntergeladen werden.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.