Standards für den elektronischen Rechnungsaustausch
Selbst wenn der Rechnungsversand per-E-Mail erfolgt, muss der Empfänger wie bei Papierrechnungen die Inhalte erfassen, auslesen und weiterverarbeiten. Der Versender wandelt die strukturierten Daten aus dem Rechnungssystem in ein unstrukturiertes Rechnungsformat, während der Empfänger umgekehrt die unstrukturierten Daten wieder in strukturierte verwandelt, um sie in sein Buchungssystem einzugeben. Die Einhaltung von Standards wie EDI erleichtert die automatische Bearbeitung und den elektronischen Rechnungsaustausch. Da die EDI-Implementierung aber kostenintensiv ist, lohnt sich dies nur für Konzerne und große Unternehmen. Mittelständischen und kleinen Unternehmen bietet sich nun über den Rechnungsstandard ZUGFeRD eine Alternative, die seit rund zwei Jahren immer häufiger in Deutschland vorzufinden ist.
Der Standard zielt darauf ab, elektronischen Rechnungen die Rechnungsinformationen in strukturierter Form mitzugeben. Dabei wird die Rechnung in einer visuellen Darstellung in einem PDF-Dokument übermittelt, das gleichzeitig eine strukturierte Datei im XML-Format mit Attributen und Rechnungsinformationen beinhaltet. »Der Rechnungsempfänger hat bei einer ZUGFeRD-konformen Rechnung sowohl die visuelle Repräsentation der Rechnung an den Prüfungs- und Freigabeprozess als auch die strukturierten Daten an die Transaktionen der Buchhaltungssoftware oder den DMS-Ablageprozess zu übergeben. Bei Anwendung dieses Standards ist es tatsächlich auch für kleinere und mittlere Unternehmen möglich, den Rechnungsstellungs- und Rechnungsverarbeitungsprozess komplett papierlos gestalten zu können«, berichtet die im Auftrag vom bitkom durch das Beratungshaus Zöller & Partner erstellte Marktübersicht 2016/2017 Elektronische Eingangsrechnungsverarbeitung.
denkwerk profitiert von ZUGFeRD-Nutzung
Beispielsweise nutzt die Digitalagentur denkwerk seit April 2015 eine ZUGFeRD-basierte Lösung. Der Süßwarenhersteller Storck äußerte als Key-Account-Kunde den Wunsch, an ihn adressierte Ausgangsrechnungen in elektronischer Form nach dem ZUGFeRD-Standard zu erhalten. Da es sich als technisch aufwändig und kostenintensiv erwies, das ERP-System um ein ZUGFeRD-Modul zu erweitern, suchten die Verantwortlichen nach Alternativen. Dabei stießen sie auf die Lösung des Dokumenten-Management-System-(DMS-) Anbieters DocuWare. Ausgestattet mit einem entsprechenden ZUGFeRD-Modul bot Docuware nicht nur die Voraussetzung, dem Wunsch des Kunden zu entsprechen, sondern gleichzeitig die Möglichkeit, durch das DMS einen Grundstein für die durchgängige Digitalisierung aller buchhalterischen Geschäftsprozesse zu legen.
Heute profitiert Denkwerk auch als Rechnungssteller von der gewählten Lösung. »Dadurch, dass wir auf das Ausdrucken und Versenden per Briefpost verzichten, sparen wir nicht nur personelle, sondern auch ökologische Ressourcen«, berichtet Eva-Maria Kaisch, Leiterin Finanzbuchhaltung von Denkwerk. »Die strukturierte, revisionssichere Ablage in einem zentralen Dokumenten-Pool bietet uns zudem eine Vielzahl an Suchoptionen, sodass wir per Tastendruck auf Dokumente zugreifen können.« Dies spare Zeit, erhöhe die Auskunftsfähigkeit und verbessere den Kundenservice. Darüber hinaus ermöglicht die Nutzung von ZUGFeRD, Rechnungen mit Ländercodes zu kennzeichnen. Daher versendet Denkwerk heute Ausgangsrechnungen sowohl an die deutsche Zentrale von Storck, als auch an europäische Niederlassungen in Polen, Österreich und Rumänien und sogar in die USA.
Eingangsrechnungsverarbeitung im öffentlichen Bereich
Wie gut sich ZUGFeRD auch international und im öffentlichen Bereich schlagen kann, wird sich bald herausstellen. Mit der EU-Richtlinie 2014/55/EU gibt es bereits europarechtliche Vorgaben für die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Bereich. In Deutschland soll diese Richtlinie über das E-Rechnungsgesetz abgebildet werden. Hierzu wurden Ende Juni neue Details unter anderem zu Rechnungsinhalten, Weiterleitung und Datenschutz bekannt. Da die Entscheidungsträger im öffentlichen Sektor zum Schluss kamen, dass die EU-Richtlinie noch etwas unspezifisch ist und von den einzelnen Behörden unterschiedlich interpretiert und implementiert werden könnte, definierten sie das Format »XRechnung«. Jedoch sollte dies laut Bruno Koch, CEO des Beratungsunternehmens Billentis nicht als neuer Standard gesehen werden: »Die XRechnung ist meiner Meinung nach ein kommunikativer Gau insofern, dass dies von Anfang an als neuer Standard erschien. Ich habe schon vor einem Jahr kritisiert, dass es besser als Implementierungsrichtlinie statt als Standard bezeichnet werden sollte.« Die XRechnung solle für die öffentlichen Auftraggeber in Deutschland die Europäische Norm abbilden. »Bei der XRechnung«, so Koch, »handelt es sich also nicht um einen neuen, losgelösten Standard, sondern um ein von deutschen Experten aus Bund, Ländern und Kommunen erarbeitetes eindeutiges Profil der europäischen Vorgaben.«
Während die EU-Kommission mit der E-Rechnung nur Auftraggeber in die Pflicht nimmt, sieht Deutschland wie manch andere Mitgliedstaaten eine Verbindlichkeit für Auftragnehmer vor. Ab 27.11.2020 sind alle Lieferanten verpflichtet, ihre Rechnungen elektronisch zu stellen. Annehmen müssen oberste Bundesbehörden und Verfassungsorgane E-Rechnungen laut EU-Richtlinie schon ab dem 27.11.2018, alle anderen Behörden ein Jahr später.
Internationale Entwicklungen im E-Rechnungsumfeld
ZUGFeRD entspricht in der aktuellen Version nicht der entsprechenden EU-Norm beziehungsweise der XRechnung. Gerade arbeitet das FeRD-Gremium jedoch an der Version ZUGFeRD 2.0, die dies erfüllen soll. Ob die Version noch in diesem Jahr erscheint, ist noch nicht mit Sicherheit zu sagen. Schließlich fehlen zur XRechnung nicht zuletzt noch Angaben zur technischen Umsetzung, so dass auch Software- und Serviceanbieter noch gar nicht konkret an die Arbeit gehen können, um XRechnung zu unterstützen. E-Invoicing-Spezialist Koch kann sich auch vorstellen, dass PEPPOL-Ergebnisse im Zusammenhang mit dem E-Rechnungsverfahren eine Rolle spielen werden. PEPPOL ist ein internationales Projekt mit dem Ziel, grenzüberschreitende elektronisch-unterstützte öffentliche Vergabeverfahren innerhalb der Europäischen Union zu standardisieren. Hierbei wird auch eInvoicing berücksichtigt.
Dass sich XRechnung auch außerhalb des elektronischen Rechnungstauschs mit Behörden in der freien Wirtschaft durchsetzen wird, bezweifelt Koch: »Ich gehe davon aus, dass XRechnung für den Rechnungsverkehr zwischen Unternehmen bedeutungslos sein wird. Standards aus dem öffentlichen Sektor konnten sich noch in keinem Land durchsetzen«.
Vielleicht geht es ja auch komplett ohne Standards, wenn sich die Erfassungslösungen und OCR-Techniken weiter verbessern, so dass nicht nur kurze und einfache Rechnungen problemlos erfasst werden, sondern auch sehr umfangreiche.