Pandemie beschleunigt Trend zu Intelligent Business Automation
Der »ISG Provider Lens Report« zum Thema intelligente Automatisierung vergleicht Dienstleister und Technologieanbieter und positioniert sie auf Basis ihres Portfolios und ihrer Zukunftsaussichten. Die Analysten Florian Scheibmayr, Mukesh Ranjan, Varsha Sengar und Jan Erik Aase haben das Marktsegment dazu in fünf Teilbereiche gegliedert, die sie einzeln betrachten: Intelligent Business Automation, AIOps, Conversational AI, Intelligent Document Processing (IDP) sowie Process Discovery and Mining.
Das gesamte Segment wuchs laut ISG im dritten Quartal 2021 so schnell wie nie zuvor. Maßgebliche Faktoren waren die steigende Nachfrage nach Cloud Computing und anderen digitalen Funktionen. Angeschoben wurde das Interesse im Wesentlichen durch die im Zuge der COVID-19-Pandemie verstärkten Initiativen der Unternehmen zur digitalen Transformation. »Trotz der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Störungen meldete die Mehrheit der Anbieter intelligenter Automatisierungslösungen und -dienstleistungen ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von 19 Prozent im Geschäftsjahr 2020/21 und erwartet ein Wachstum von mindestens 20 Prozent im Geschäftsjahr 2022«, teilt ISG mit.
Fünf wesentliche Automatisierungsfunktionen
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Für die Region EMEA beobachteten die Marktforscher im dritten Quartal 2021 ein starkes Wachstum in allen Bereichen, sowohl gegenüber dem Vorjahr als auch im Quartalsvergleich. Alle untersuchten Segmente glänzten mit Rekordwertem beim jährlichen Vertragswert. Der stieg bei Managed-Services- und As-a-Service-Verträgen um 37 Prozent auf 11,6 Milliarden Dollar. Dass die Region in diesem Bereich in einem Quartal erstmals die Marke von 10 Milliarden US-Dollar geknackt hat, ist vor allem As-a-Service-Verträgen zu verdanken: Deren Wert stieg gegenüber dem Vorjahr um 51 Prozent auf einen Rekordwert von 6,9 Milliarden US-Dollar. Das war das stärkste Wachstum seit Beginn der Aufzeichnung durch ISG im Jahr 2014.
»Die COVID-19-Pandemie hat den Initiativen zur digitalen Transformation einen starken Schub verliehen«, erklären die ISG-Experten. »Groß angelegte digitale Initiativen liegen womöglich noch auf Eis, doch Automatisierung und weitere Initiativen, die eine unmittelbare Wertschöpfung beziehungsweise Vorteile erbringen, sind sehr gefragt.
Die fünf von ISG untersuchten Marktsegmente mit intelligenten Automatisierungsfunktionen sind nach Ansicht der Analysten auch diejenigen, die Unternehmen am ehesten helfen, die richtige Grundlage zu schaffen, um sicherzustellen, dass ihre Prozesse die künftige Geschäftsplanung unterstützen. ISG erwartet, dass diese Technologien, die Vorreiter bereits einführen, bis 2025 zur Norm werden. »Ein frühzeitiger Einstieg beschleunigt bestehende Automatisierungsbemühungen und ebnet den Weg für ein zukünftiges autonomes Unternehmen«, legt ISG den bisher Untätigen ans Herz.
Intelligent Business Automation
Lösungen aus dem Bereich Intelligente Business Automation werden derzeit schneller eingeführt, weil Unternehmen durch Nebenwirkungen der Pandemie erkannt haben, dass Flexibilität und Anpassungsfähigkeit überlebenswichtig sind. Außerdem üben in vielen Bereichen Neueinsteiger im Markt erheblichen Druck aus, weil sie oft schon hochgradig automatisiert und integriert sind. Etablierte Unternehmen stehen laut ISG dagegen »vor dem Dilemma, wie sie von einer abteilungsbezogenen, inselartigen und oft auf RPA basierende Automatisierung auf eine Automatisierung auf Unternehmensebene skalieren können«.
Knackpunkt dabei: Oft werden mehrere Technologien mit unterschiedlichen Datenmodellen eingesetzt. Das führt zu Reibungsverlusten sowie einer komplizierten, kostspieligen und anfälligen IT-Architektur. Um Abhilfe zu schaffen, richten Unternehmen oft Kompetenzzentren ein. Die erwarten von den Anbietern Frameworks und Lösungen, die ihnen helfen, die Lücke zur Hyperautomatisierung zu schließen.
Zu deren Bestandteilen soll nach Ansicht der Firmen die Eingabeerfassung gehören, etwa mittels KI-gestützter Chatbots. Außerdem wird die Integration von Geschäftsprozessen durch Workflow- und robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) erwartet. Ein intelligentes Betriebszentrum soll durch Prozessanalysen die Konformität im Blick behalten und Verbesserungsmöglichkeiten aufdecken. Anwendungsbereiche sieht ISG in allen Branchen. Banken, Finanzdienstleister und Versicherungen seien aber in Bezug auf die Umsetzung am weitesten fortgeschritten.
Aber auch Unternehmen aus der Fertigung, die für Integration und Automatisierung von Prozessen bislang vorrangig auf ERP-Plattformen setzten, denken inzwischen darüber nach, wie sie intelligente Automatisierung über die Grenzen ihrer ERP-Systeme hinaus nutzen können. »Bis zur Umsetzung der Vision einer branchenunabhängigen, selbstentdeckenden, selbstlernenden und selbstanpassenden, hochautomatisierten Geschäftslösung ist es noch ein weiter Weg, aber die intelligenten Geschäftsplattformen schlagen den Weg in diese Richtung ein«, so das Fazit von ISG.
AIOps
Der Begriff »AIOps« bezeichnet die Weiterentwicklung der IT-Betriebsanalyse. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Betriebsausfällen. Fortschritte bei der KI-Analyse ermöglichen es, historische Daten und Zeitreihen besser zu analysieren, Probleme vorherzusagen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten.
AIOps-Plattformen verbinden in der Regel mehrere Komponenten. Als Workflow-Engine kommt beispielsweise ServiceNow zum Einsatz, zur Überwachung und Beobachtung Splunk oder Dynatrace. Herzstück ist eine Plattform für Runbook-Automatisierung, vorausschauendes Kapazitätsmanagement, automatisiertes Incident Management sowie eine exakte und zuverlässige Configuration Management Database (CMDB). Als weitere Funktionen kommen oft Modelle zur Selbstheilung, Anpassung und Bot-Entwicklung hinzu. Wichtig sind zudem große Datenmengen und bei den beteiligten Dienstleistern das entsprechende Know-how für das Training von KI-Modellen.
Conversational AI
Durch Angebote wie Siri, Alexa und Cortana wächst die Akzeptanz von Spracheingaben und Sprachausgaben. Dennoch bestehen weiterhin Vorbehalte und ist die Technik für komplexere Szenarien noch nicht ausgereift genug. In Deutschland sieht ISG derzeit KI-basierte Gesprächssysteme hauptsächlich in Chatbots, virtuellen Agenten und Sprachassistenten in Contact Centern. »Doch trotz all dieser Fortschritte kann KI den Menschen noch nicht ersetzen, vor allem wenn es um Empathie und das Verständnis von Gesprächen mit komplexeren Zusammenhängen geht«, fasst ISG zusammen.
Ein wichtiger Markttrend sei in dem Zusammenhang die Möglichkeiten, durch Low-Code/No-Code-Entwicklungsumgebung. Die Entwicklung wird dadurch schneller und flexibler. Indem Anwender zu so genannten »Citizen Developern« werden und die individuelle Anpassung in Firmen durch eine größere Zahl an Personen möglich wird, überlegen sich viele Unternehmen, ob der Kauf standardisierter Anwendungen wirklich noch die beste Lösung ist. In Contact Centern werde KI zudem schon in großem Umfang für intelligente Gesprächsanalysen eingesetzt und habe sich die Sentiment-Analyse in der Qualitätskontrolle etabliert.
Intelligent Document Processing
Intelligente Dokumentenverarbeitung (IDP) hat während der COVID-19-Pandemieum einer großen Zahl an Mitarbeitern die Arbeit aus dem Homeoffice überhaupt erst ermöglicht. Da viele Geschäftsabläufe immer noch von Papierdokumenten abhängig sind, müssen Unternehmen eine große Menge an Rechnungen, Forderungen, Verträgen und persönlichen Dokumenten, teilweise mit handschriftlichem Inhalt, bewältigen. »Die Anforderungen an die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und die zunehmende Komplexität von Anwendungsfällen wie dem Vertragsvergleich haben die Anforderungen an IDP-Anwendungen erhöht«, stellt ISG fest.
Anbieter von IDP-Lösungen hätten darauf reagiert, indem sie verstärkt KI, NLP (Natural Language Processing) und maschinelles Lernen einsetzen. Sie wollen so die Geschwindigkeit und den Dokumentendurchsatz erhöhen und ihre Algorithmen verbessern. Denn das Ziel – Prozesse mit wenigen oder gar ganz ohne menschliche Eingriffe – lässt sich nur erreichen, wenn die Lösungen eine hohe Genauigkeit und geringe Fehlerquote bieten.
Zu den führenden Anbietern im deutschen IDP-Umfeld wertet ISG beispielsweise das Kölner Unternehmen ITyX. Es entwickelt Software im Bereich von Intelligent Process Automation (IPA), die textbasierte Prozesse in Unternehmen automatisieren kann.
Process Discovery and Mining
Europa – und hier vor allem Deutschland – sind laut ISG der führende Markt für Process Discovery and Mining. Hier seien mehrere kommerzielle Process-Mining-Lösungen entwickelt worden, oft ausgehend von der Arbeiten und den Konzepten von Wil van der Aalst. Traditionell geht es dabei um Themen wie Konformitätsprüfung und Compliance-Checks.
Allerdings werde Process Discovery and Mining auch schon in anderen Szenarien genutzt, etwa als Beschleuniger für ERP-Migrationen. Daher habe SAP etwa den deutschen Spezialanbieter Signavio übernommen. Ein weiterer Markttrend ist laut ISG die Verbindung von Process Mining und Task Mining mit RPA-Plattformen zum Zweck der Hyperautomatisierung.
Alle Anbieter von Process Mining ermöglichen eine breite Palette an Anwendungen. Sie werden daher hoch bewertet. Allerdings ist der Markt noch jung und durch Fusionen und Übernahmen geprägt. Das macht es derzeit Anwendern noch schwer, sich für einen Anbieter zu entscheiden.