Angst auch bei KI-Projekten kein guter Ratgeber
KI profitiert von »Fear Of Missing Out« in Unternehmen
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Eine neue Studie von ABBYY zeigt, dass die Angst, etwas zu verpassen, ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für Investitionen in künstliche Intelligenz (KI) ist. 63 Prozent der IT-Führungskräfte weltweit gaben in der Umfrage an, dass sie befürchten, ihr Unternehmen werde im Wettbewerb zurückbleiben, wenn sie KI nicht nutzen.
Den befragten IT-Entscheidern aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Singapur und Australien zufolge betrugen die durchschnittlichen Investitionen in KI 2023 je Unternehmen rund 650.000 Dollar – obwohl ein Drittel der Führungskräfte Bedenken wegen der Implementierungskosten hatte.
Fast alle (96 Prozent) der für die Studie »ABBYY State of Intelligent Automation: AI Trust Barometer« Befragten gaben an, dass sie planen, ihre Investitionen in KI im nächsten Jahr zu erhöhen. Für mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Befragten ist zudem der Druck der Kunden eine weitere wichtige Triebfeder für den Einsatz von KI.
Irrationale Entscheidungen durch »Fear Of Missing Out«
»Wo lange Zeit die Frage im Raum stand, welche Technologie die eigenen Probleme am besten lösen könnte, versuchen Unternehmen heute zu oft den umgekehrten Weg – sie suchen nach Anwendungsfällen für neue Technologien«, hat Nadine Riederer, CEO beim IT-Dienstleister Avision, beobachtet. »Verstärkt wird der Drang, die angesagtesten Lösungen schnellstmöglich einzusetzen, auch durch den direkten Vergleich mit Tech-Giganten und der Konkurrenz auf dem Markt – ob deren Technologie-Portfolio nun zu den eigenen Anforderungen passt oder nicht.«
Die Praxis zeige allerdings, dass »die reflexartige Adaption neuer Technologien nur selten einen Mehrwert bietet, sondern auch negative Folgen für Unternehmen haben kann«, sagt Riederer. Gegen Aktionismus wegen Technologie-FOMO führt sie vier Argumente ins Feld.
- Early Adopter zahlen viel Lehrgeld. Wer neue Lösungen als Erster nutzt, investiert finanzielle Mittel und Zeit in Technologien, die noch nicht ausgereift sind. Aus den eigenen Fehlern lernt hingegen die Konkurrenz, die später auf Best Practices und bereits gemachte Erfahrungen zurückgreifen kann. »So haben geduldigere Unternehmen beispielsweise von den ersten Anwendern in der Cloud profitiert und konnten nicht nur ausgereiftere Lösungen nutzen, sondern auch anfänglich begangene Fehler vermeiden«, erinnert Riederer.
- Viele Hypes erweisen sich als Irrwege. Auch wenn die Hersteller ihre neuen Technologien in den Himmel loben, kann nicht jede Lösung diese Versprechen einlösen. Es lohne sich daher, auf zukunftssichere Lösungen zu warten, statt sich aus Innovationsgründen auf kurzfristige Trends zu konzentrieren. »Nachhaltige Lösungen mit Mehrwert überleben den Hype und halten sich deutlich länger am Markt«, sagt Riederer.
- Hype Cycle für sich nutzen. Schafft eine neue Technologie den entscheidenden Durchbruch, folgen oft überzogene Erwartungen – und Enttäuschungen. Das Marktforschungsunternehmen Gartner hat diesen Verlauf im sogenannten Hype Cycle skizziert. Der endet mit dem Einsetzen realistischer Erwartungen und der letztendlichen Akzeptanz der Technologie.
- Plan statt Aktionismus. »Auch wenn die schnelllebige IT-Branche einen anderen Eindruck vermittelt, ist genügend Zeit vorhanden, um Trends zu analysieren und mit den eigenen Anforderungen zu vergleichen«, beruhigt Riederer. Es zahlt sich daher meistens aus, auf eine reifere Version der Lösung zu warten und nicht unnötig Geld für Experimente aus dem Fenster zu werfen.
»Es ist absolut nicht sinnvoll, das Technologie-Portfolio anderer Unternehmen oder von Konkurrenten zu spiegeln, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern«, erklärt Riederer zusammenfassend. »Um dem FOMO-Phänomen entgegenzuwirken, sollten Unternehmen daher lieber den Blick nach innen richten und sich fragen: Welche Technologien brauchen wir wirklich, um unsere Probleme zu lösen? Auf diese Weise verlieren sie ihre eigentlichen Ziele und Strategien nicht aus den Augen.«
Trend zu SLM erkennbar
Überraschend ist an den Studienergebnissen, dass die größte Befürchtung der IT-Leiter bei der Implementierung von KI der Missbrauch durch die eigenen Mitarbeiter ist (35 Prozent). Dieser Aspekt macht mehr Sorgen als die Kosten (33 Prozent), KI-Halluzinationen und mangelndes Fachwissen (beide 32 Prozent) und sogar das Compliance-Risiko (29 Prozent).
In die KI-Tools haben die Befragten ein sehr hohes Maß an Vertrauen (84 Prozent). Am vertrauenswürdigsten sind nach Ansicht der Entscheidungsträger kleine Sprachmodelle (SLMs) oder zweckgebundene KI (90 Prozent). Mehr als die Hälfte (54 Prozent) gab an, dass sie bereits zweckgebundene KI-Tools wie intelligente Dokumentenverarbeitung (IDP) einsetzen.
»Es überrascht mich nicht, dass Unternehmen mehr Vertrauen in kleine Sprachmodelle haben, da LLMs dazu neigen, zu halluzinieren und ungenaue oder möglicherweise sogar negative Ergebnisse zu liefern«, sagt Maxime Vermeir, Senior Director of AI Strategy bei ABBYY. »Wir beobachten, dass immer mehr Führungskräfte zu SLMs wechseln, um ihre spezifischen Geschäftsanforderungen besser zu erfüllen und vertrauenswürdigere Ergebnisse zu erzielen.«
Eine überwältigende Mehrheit (91 Prozent) der Befragten ist zuversichtlich, dass ihr Unternehmen alle staatlichen Vorschriften zum Einsatz von KI befolgt. Dennoch geben nur 56 Prozent an, dass sie über eigene vertrauenswürdige KI-Richtlinien verfügen, an die sich Beschäftigte halten. 43 Prozent fragen dazu einen Berater oder eine gemeinnützige Organisation um Rat. Die Hälfte der Befragten bestätigt, dass sie sich sicherer fühlen würden, wenn sie wüssten, dass ihr Unternehmen über eine verantwortungsvolle KI-Richtlinie verfügt. Software-Tools, die die Einhaltung von KI-Richtlinien erkennen und überwachen können, wurden ebenfalls als vertrauensfördernd genannt (48 Prozent).
Ergebnisse der Studie aus Deutschland
Regional betrachtet war das Vertrauen in KI bei den Befragten in den USA mit 87 Prozent am größten, gefolgt von Singapur mit 86 Prozent, Großbritannien und Australien mit jeweils 85 Prozent und Deutschland mit 83 Prozent. Schlusslicht war Frankreich, wo nur 77 Prozent der Befragten angaben, dass sie KI vertrauen.
In Deutschland gaben zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) an, viel über künstliche Intelligenz zu wissen. 47 Prozent sagen, dass sie viel über maschinelles Lernen und neuronale Netze wissen, 57 Prozent sind sich dessen bei generativer KI sicher. Bei Large Language Models geben 36 Prozent gute Kenntnisse an, bei Small Language Models 34 Prozent.
83 Prozent der Befragten aus Deutschland vertrauen darauf, dass der Einsatz von KI ihrem Unternehmen helfen kann. Allerdings haben 38 Prozent auch Sorge, dass KI im Unternehmen missbräuchlich eingesetzt werden kann. 32 Prozent haben Vorbehalte aufgrund der technischen Komplexität von KI-Lösungen.
93 Prozent der in Deutschland befragten Unternehmen setzen KI bereits ein. In den vergangenen 12 Monaten haben 16 Prozent zwischen 1 und 2 Millionen Euro investiert. 25 wollen in den kommenden 12 Monaten ihre Ausgaben um 11 bis 15 Prozent erhöhen. Primär geht es dabei um die Steigerung der Effizienz und eine Verbesserung des Kundenservice (55 Prozent). Aber auch die Erhöhung der Dienstleistungsqualität durch das Unternehmen ist ein wichtiges Ziel (48 Prozent). Dementsprechend sind Customer Service (49 Prozent) und Marketing (41 Prozent) die Abteilungen mit dem höchsten Maß an KI-Nutzung. Die vollständigen Ergebnisse bietet ABBYY Interessierten gegen Angaben der Kontaktdaten zum Download an.
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