Elektronisches Signieren von Arbeitsverträgen auch ab August

Selbst Arbeitsverträge lassen sich digital unterschreiben (Bild:Namirial)

Selbst Arbeitsverträge lassen sich digital unterschreiben (Bild:Namirial)

In Deutschland gilt ab 1. August 2022 das Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1152 über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen. Dies ändert nichts daran, dass befristete Arbeitsverträge nach wie vor elektronisch übermittelt und per qualifizierter elektronischer Signatur unterschrieben werden können. Unberührt von dem neuen Gesetz ist auch, dass für unbefristete Arbeitsverträge keine Vorgaben zur Form existieren. Sie können sowohl mit qualifizierter elektronischer Signatur unterzeichnet werden wie auch mit einfacher oder fortgeschrittener Signatur sowie händisch. Es ist sogar ein mündlicher Abschluss eines Arbeitsvertrags gültig, der im Streitfall jedoch wenig Beweiswert besitzt.

Neu ist ein Ordnungsgeld von 2.000 Euro

Habib Bejaoui, Vertriebsleiter bei Namirial Deutschland, ist Experte für den Einsatz elektronischer Signaturen im Personalwesen (Bild: Namirial)

Habib Bejaoui, Vertriebsleiter bei Namirial Deutschland, ist Experte für den Einsatz elektronischer Signaturen im Personalwesen (Bild: Namirial)

Was bislang ebenfalls schon Pflicht war: das Aushändigen der Arbeitsbedingungen in Papierform an die Beschäftigten. Neu ist jedoch, dass nun ein Ordnungsgeld von 2.000 Euro droht, falls dies nicht geschieht. Laut EU-Richtlinie wäre das allerdings nicht notwendig gewesen, sogar die Schriftform hätte man abschaffen können. Dies unterstreicht auch Habib Bejaoui, Vertriebsleiter der Namirial Deutschland GmbH und Experte für den Einsatz elektronischer Signaturen im Personalwesen: »Eine bereits seit langem bestehende Regelung blieb unverändert: § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG schließt die Verwendung der elektronischen Form aus. Dies hätte man im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1152 ändern können. Die EU-Richtlinie sieht die Möglichkeit der Nutzung der Textform vor.« Jedoch liegt es im Ermessen der EU-Mitgliedsstaaten wie sie eine Richtlinie in nationales Recht umsetzen. »In Deutschland sind weiterhin diese Nachweise vom Arbeitgeber auf Papier schriftlich niederzulegen, zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen«, so Bejaoui.

Daher ist dies nicht unbedingt ein Rückschritt bei der Digitalisierung, was beispielsweise der Bitkom-Präsident Achim Berg beklagt: »Die geplanten Regeln für Arbeitsverträge sind kein Schritt vorwärts, sondern zurück. Jetzt fehlt nur noch, dass man die Verträge mit der Postkutsche zum Adressaten transportieren muss.« Auch einige Medienberichte unter anderem in der FAZ (Digitalisierung unter Strafe verboten) stoßen in das gleiche Horn.

Digitales Signieren bringt weiter Vorteile

Daniela Becker, Area Vice President EMEA Docusign, sieht in den neuen Anforderungen keine Hürden für elektronisches Signieren (Bild: Docusign)

Daniela Becker, Area Vice President EMEA Docusign, sieht in den neuen Anforderungen keine Hürden für elektronisches Signieren (Bild: Docusign)

Doch auch Daniela Becker, Area Vice President EMEA beim Anbieter von elektronsichen Signaturlösungen DocuSign, sieht die Lage nicht ganz so dramatisch. Ihrer Ansicht nach, habe das neue Nachweisgesetz bei Unternehmen verständlicherweise Bedenken ausgelöst, wie viel Bürokratie nun nötig sei, um den Nachweisanforderungen Folge zu leisten. Dazu komme die Sorge über eventuelle Bußgelder bis zu 2.000 Euro, die nun drohen können. »Die erweiterten Anforderungen sollten jedoch nicht beeinflussen, wie Unternehmen digitales Signieren zu ihrem Vorteil nutzen können: Obwohl das neue Nachweisgesetz den Beginn des Arbeitsverhältnisses etwas komplexer macht, schließen diese Neuregelungen digitale Signaturen beim Abschluss von Arbeitsverträgen nicht aus. Digitale Signaturen – unter Berücksichtigung der relevanten lokalen Anforderungen – bleiben nach wie vor ein solides Format für die Unterzeichnung von Arbeitsverträgen.«

Becker stellt auch klar: »Während Arbeitsverträge weiterhin elektronisch geschlossen und unterschrieben werden können, muss die Informationspflicht auf Papier und mit händischer Unterschrift des Arbeitgebers erfolgen. Dies muss nicht zeitgleich mit dem Arbeitsvertrag geschehen, laut Nachweisgesetz aber spätestens am ersten Arbeitstag. In der Realität bedeutet dies, dass der angeforderte Nachweis einfach ein Teil der Onboarding-Materialien des neuen Mitarbeiters sein kann. Ein wesentlicher Punkt ist zudem, dass der Nachweis lediglich vom Arbeitgeber, nicht jedoch vom Arbeitnehmer, signiert werden muss.«

Pandemiebedingt hat sich Digitalisierung etabliert

Für Ingolf Rauh, Head of Product and Innovation Management bei Swisscom Trust Services wäre ein rein digitaler Onboarding-Prozess zielführender (Bild: Swisscom Trust Services)

Für Ingolf Rauh, Head of Product and Innovation Management bei Swisscom Trust Services wäre ein rein digitaler Onboarding-Prozess zielführender (Bild: Swisscom Trust Services)

Dass ein rein digitaler Prozess zielführender wäre, hat nun auch Ingolf Rauh, Head of Product and Innovation Management bei Swisscom Trust Services verlautet. »In den letzten beiden Jahren der Pandemie haben digitale Kommunikationswege die Wirtschaft am Laufen gehalten. Auch andere Bereiche werden immer weiter digitalisiert, daher empfinde ich es als Rückschritt, dass das neue Gesetz eine Papierform vorschreibt. In der EU-Richtline des aktuellen Gesetzes war auch zunächst die elektronische Form vorgesehen: Der Arbeitgeber stellt jedem Arbeitnehmer die gemäß dieser Richtlinie erforderlichen Informationen schriftlich zur Verfügung. Die Informationen sind in Papierform oder – sofern die Informationen für den Arbeitnehmer zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält – in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen und zu übermitteln‘ (EU-Richtlinie, Artikel 3).«

Dass in Deutschland die Wahlfreiheit nicht in nationales Recht überführt wurde und Unternehmen zwangsläufig ein Papierdokument ausstellen müssen, bedauert Rauh und sieht ähnlich wie der Bitkom-Präsident darin einen Rückschritt: Während man EU-weit die Digitalisierung vorantreiben will, entschließt sich Deutschland also dazu, einen Schritt zurück zu machen und auf Papier zu setzen, obwohl sich in der Bevölkerung zusehends eine Papiermüdigkeit breit macht. Eine digitale Lösung wäre wünschenswert und fortschrittlich gewesen.«

Mechanismen der Fernsignatur scheinen Experten unbekannt

Die Diskussionen rund um das Gesetz haben auch offen gelegt, wie wenig über die Möglichkeiten des elektronischen Signierens bekannt sind. Selbst den Experten, die am 20. Juni zur Anhörung im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags geladen waren, fehlen entsprechende digitale Kenntnisse. So ist im Wortprotokoll zu lesen, dass man zur Erzeugung qualifizierter elektronischer Signaturen noch Signaturkarten benötige. Jedoch ist dies bei der Nutzung der Fernsignatur – ein Verfahren der qualifizierten elektronischen Signatur – nicht mehr notwendig. Wie in unserem Beitrag dargestellt, kann das Auslösen der Fernsignatur mittels Zwei-Faktor-Authentifizierung beim Vertrauensdiensteanbieter etwa durch die Eingabe von Benutzername und Passwort sowie eines zugestellten Zahlencodes am Smartphone erfolgen.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.